Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
Stimmen, die man von zu Hause kennt. Ich hatte mich echt darauf gefreut, aber die Situation erschien mir nun zu gefährlich. Sara spielte die letzte Nachricht ab, sie war eine Viertelstunde alt und lautete: «Hallo, ich noch mal. Schade, dass ihr nicht rangeht. Ich wollte nur sagen, dass da jetzt noch so Typen gekommen sind, die sind zwar was älter, aber total lustig, und wir sitzen alle gemeinsam am Feuer, und die haben jetzt gefragt, ob sie mal bei uns auf die Toilette können. Da wollte ich fragen, ob das okay ist. Ist doch okay, oder? Die sind voll süß. Also bis –.» Da brach die Aufnahme ab.
Drei tausendstel Sekunden später saß ich im Auto. Die Kinder gingen nicht ans Telefon. Neunundzwanzig Minuten später stand ich im Flur und hielt einen Zettel in der Hand: «Hahaha! Reingelegt. Gute Nacht.»
Die Welt am Sonntag um 6 : 47 Uhr
«Kaufst du einen Ninja-Anzug?»
«Was?»
«Kaufst du einen Ninja-Anzug?» Ich öffne das rechte Auge und sehe einen kleinen Menschen in einem Schlafanzug vor meinem Bett stehen. Er trägt einen Darth-Vader-Helm und ist deshalb etwas schwer zu verstehen. Instinktiv greife ich nach meiner Armbanduhr. Es ist 6 : 47 Uhr. Es ist Sonntag. Und ich bin verkatert.
«Es ist Viertel vor sieben», sage ich schwach.
«Na und? Kaufst du mir einen Ninja-Anzug?»
«Nein, ich schlafe.» Ich bin nicht bereit, mich zu unterhalten. Ich will noch nicht booten. Ich will nicht, dass in mir ein Gong ertönt und sämtliche Programme hochfahren, ich will noch nicht betriebsbereit sein. Ich befinde mich im Schlafmodus, und deshalb schließe ich das Auge wieder. Vielleicht geht er ja weg oder wechselt die Bettseite. Da liegt Sara.
«Ich möchte einen Ninja-Anzug mit Wurfsternen und so einem Schlagdings und einer Kapuze, damit mich niemand erkennt.»
Gong!
«Was? Wozu denn?»
«Für Karneval.»
«Karneval ist in einem Dreivierteljahr.»
«Aber wir können ihn schon mal kaufen.»
Ich will schlafen, denn ich schlafe noch gar nicht lange. Gestern waren wir aus, und es war unglaublich. Eigentlich wollten wir wie immer früh zu Hause sein. Ich mag die Vorstellung nicht, dass die Kinder nachts aufwachen, ins Schlafzimmer kommen und wir sind nicht da. Aber dann wurde es so nett, wahnsinnig nett. Und als es immer später wurde, vergaßen wir das einfach mal. Kommt ja nicht mehr oft vor, höchstens drei Mal im Jahr. Wenn überhaupt. Früher war das anders. Da waren wir jung und kannten weder Pflicht noch Erschöpfung. Da haben wir so lange geschlafen, dass es sich kaum lohnte, danach aufzustehen. Wir frühstückten im Bett, sahen fern, kochten was und gingen wieder ins Bett. Das war in den Neunzigern. Inzwischen sehen wir gegen Mitternacht auf die Uhr und verabreden, höchstens noch eine Stunde zu bleiben. Dann fahren wir nach Hause und erinnern uns daran, dass wir früher nicht vor vier Uhr heimgingen. Früher. Wie spät war es denn gestern? Fünf war es. Am Ende habe ich ein wenig die Kontrolle verloren und durcheinandergetrunken. Und geraucht habe ich gestern. Mein Kopf ist das Fanfarenkorps der Bundeswehr beim Betriebsausflug auf der Reeperbahn. Rumsbums, alles scheppert. Ich zahle einen hohen Preis, zumal Darth Vader immer noch an meinem Bett steht.
«Ninjas sind cool.»
Ich habe auch getanzt. Wie der Lump am Stecken, sozusagen. Kommt auch nicht mehr oft vor. Sara und ich haben sogar gemeinsam getanzt. Früher war ich ein großer Tänzer, dann jahrelang Steher oder höchstens Wipper. Gestern muss ich sehr viel getrunken haben, denn ich tanzte zu praktisch allem, was gespielt wurde. Ich glaube auch, dass ich den Gastgeber beleidigt habe, allerdings fällt mir nicht mehr ein, was ich gesagt haben könnte. Aber ich erinnere mich noch, dass Sara sich für mich entschuldigt hat. Wofür bloß? Und habe ich an ein parkendes Auto uriniert? Kann ich momentan nicht ausschließen. Was für eine großartige Nacht. Sie bekäme einen historischen Rankingplatz, wenn ich noch ein klein wenig poofen könnte. So ungefähr zehn Stündchen.
«Kaufst du jetzt den Ninja-Anzug?»
«Es ist Sonntag, alle Geschäfte sind zu.» Boing. Gute Nacht. Und was antwortet er?
«Das Internet hat immer auf.»
Früher war wirklich alles anders. Da hatte man noch Argumente. Jetzt habe ich Kinder. Und Internet.
Die Vuvuzela ist das Horn von Afrika
Mein Schwiegervater Antonio und ich haben nicht sehr viele Gemeinsamkeiten. Gut, wir lieben dieselbe Frau, also Sara, aber nicht einmal dies auf dieselbe Weise. Worauf
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