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Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Titel: Mein neues Leben als Mensch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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nicht hält, was uns früher versprochen wurde. Die baldige Besiedelung des Mars, die mir als Kind noch in Aussicht gestellt wurde, wird zum Beispiel erst einmal nicht stattfinden. Das hat mir eine Wissenschaftlerin erklärt. Sie forscht auf dem Gebiet der Zellbiologie und untersucht die Wirkung von Mars- und Mondstaub auf organische Zellen. Diese sterben bei der Berührung mit kosmischen Stäuben ab, im Moment jedenfalls. Wir werden also kaum demnächst auf fremden Planeten Sandburgen bauen.
    Aber die Wissenschaftlerin machte mir auch Mut. Sie erzählte mir nämlich, wie hoch das Gewicht aller Bakterien in und am menschlichen Körper ist. Und das ist wirklich erstaunlich. Ein Erwachsener schleppt ständig vier Kilo Bakterien mit sich herum. Wenn man also wie ich plant, sechs Kilo abzunehmen, dann kann man es bei zweien bewenden lassen, denn vier Kilo des Übergewichtes bestehen ja aus Bakterien, und die wird man sowieso nicht los. Hurra, es gibt Hoffnung. Vielleicht hätte ich das dem Mann im Speisewagen sagen sollen. Aber wahrscheinlich hätte er sich auch darüber beklagt.

Ein Herz für Würmer
    Die Tierliebe unseres Sohnes Nick treibt bisweilen exotische Blüten. Er geht zum Beispiel gerne mit seiner adipösen Hamsterdame spazieren. Dafür hat er ihr ein ebenso winziges wie bizarres Ausgehgeschirr gebastelt. Stundenlang führt er Gimli daran durch den Garten, weil er meint, dass so eine Hamsterin ein Recht auf Auslauf hat. Nick zeigt ihr die Himbeeren, setzt Gimli auf seine Schaukel und verbrachte gestern mit ihr einige Zeit beim Rasenmäher, wohl um ihr einen längeren Vortrag über die Gefahren rotierender Schneidwerkzeuge zu halten. Diese haben bei uns gerade ein ziemlich unappetitliches Gemetzel angerichtet.
    Ich habe mit dem Rasenmäher eine Blindschleiche überfahren. Ich konnte sie nicht sehen, das Gras war zu hoch. Hälftig noch zuckend, wand sie sich, und das tat mir sehr leid, bis ich sie auf den Komposthaufen warf. Mein pragmatisches Verhältnis zum Ableben des Hartwurms brachte Nick auf die Zinne, und er nannte mich einen Mörder und weinte bittere Tränen. So sehr mich das traf, so zufrieden war ich doch mit seiner Reaktion. Ich habe nämlich mal gelesen, dass viele spätere Serienmörder als Tierquäler im Kindesalter begonnen haben. Und danach sieht es bei Nick überhaupt nicht aus.
    Ich kann mich daran erinnern, dass ich als kleiner Junge ebenfalls sehr tierlieb war. Einmal bin ich nach einem starken Sommerregen mit dem Fahrrad losgefahren, um sämtliche Regenwürmer zu retten, die sich blass, wässrig und lendenlahm über die Straße quälten. Ich befürchtete, dass die von mir geliebten Ringelwürmer von Autos platt gefahren oder aber einen grausamen Dörrtod sterben würden, sobald die Sonne wieder schien. Ich sammelte also alle Regenwürmer auf, die ich in der Nachbarschaft finden konnte. Es waren viele, sehr viele, die ich vorsichtig in einen kleinen Karton legte. Dann fuhr ich nach Hause, hob ein recht tiefes Loch im Garten aus, was meine Kindermuskeln stark in Anspruch nahm, weil die Erde vom Regen so nass und schwer war. Ich legte jeden einzelnen Regenwurm in das Loch und begrub das schlaffe Getier mit dem Aushub. Ich war sehr stolz auf meine Tat. Später habe ich in der Schule gelernt, dass die Würmer bei Regen absichtlich ihre Höhlen verlassen, weil sie in der feuchten Erde ersticken würden. Das ließ meine Aktion in einem sehr viel matteren Licht nur mehr funzeln, aber der Wille zum Guten war da, genau wie bei Nick.
    Der kam gestern mit einer fürchterlichen Geschichte aus der Schule. Es ist nämlich so, dass bei uns auf dem Land die Bauern inzwischen die Wiesen mit riesigen Geräten mähen. Die monströsen Fahrzeuge haben eine Schnittbreite von fast fünfzehn Metern, und alles, was sie abschneiden, landet gleich in überdimensionierten Anhängern. Wo der Bauer früher einen halben Tag für eine Wiese brauchte, donnert er heute in einer halben Stunde einfach drüber – und zerhäckselt dabei Rehkitze. Diese werden von ihren Eltern im hohen Wiesengras gehegt. Früher konnten die Bauern sie sehen, anhalten und verscheuchen, heute sitzen die Herren Agrartechniker so weit oben und so weit weg in ihren Avatar-mäßigen Supermähwerken, dass sie die Wildtiere frühestens wahrnehmen, nachdem sie ihnen die Läufe abgesäbelt haben. Furchtbar ist das, und Nick hat es in der Schule gehört. Ein Kindkollege vom Bauernhof hat ihm das erzählt. Und dass man neulich einen Jäger holen musste, um

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