Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Titel: Mein neues Leben als Mensch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
Vom Netzwerk:
ein kläglich schreiendes Kitz zu erlösen.

    Nick stand vom Mittagessen auf und erklärte, er werde etwas dagegen unternehmen. Ich hörte ihn in der Küche hantieren, und dann stand er mit mehreren Töpfen und Deckeln vor mir. Wir müssten zur Wiese gehen und Krach machen, um die Rehkitze aufzuscheuchen, bevor der Bauer käme, um sie zu überfahren. Ich hatte nicht die Kraft, ihm zu widersprechen – erst recht nicht nach der Sache mit der Blindschleiche –, zog meine Jacke an und ging trotz Regens mit ihm zur Wiese, um Krach zu machen. Wir schlugen fast eine halbe Stunde auf Töpfe und Deckel. Es kam aber kein Reh gesprungen. Und kein Bauer gefahren. Nur ein Regenwurm kam. Und unsere Nachbarin. Beide schauten sehr amüsiert.

Das Belmondo-Phänomen
    Das Belmondo-Phänomen heißt gar nicht so, aber ich habe natürlich vergessen, wie man dieses Phänomen tatsächlich nennt. Ich glaube, es leitet sich vom Namen irgendeines Franzosen ab. Voltaire ist es aber nicht. Platini auch nicht. Vielleicht Belmondo. Egal. Es geht um Folgendes: Anschaffungen ziehen meistens Anschaffungen nach sich. Man kauft sich also eine hellblaue Hose, und weil man keine hat, die dazu passen, braucht man auch neue Schuhe und ein neues Hemd und stellt irgendwann fest, dass man ein ganz neues Leben gekauft hat, nur weil man mal eine hellblaue Hose tragen wollte. Das ist mir auch passiert. Ich habe aber keine Hose angeschafft, sondern Müllbeutel.
    Ich stand vor dem Supermarktregal und suchte nach den richtigen Müllbeuteln. Die Auswahl war groß, und mein Bekennermut bezüglich meiner Ahnungslosigkeit in puncto Müllbeutelgrößen war klein. Ich schätzte ab, was so in unseren Mülleimer passt, indem ich die Häufigkeit voller Mülleimer in unserem Haushalt maß. Ich, natürlich-ich-wer-denn-sonst-meine-Kinder-sind-sich-ja-viel-zu-fein-dafür-die-kleinen-Herrschaften, bringe pro Woche ungefähr viermal den Müll raus. Besäßen wir einen fünfzig Liter fassenden Mülleimer, wären das ja achthundert Liter Müll pro Monat. Konnte ich mir nicht vorstellen und erwarb daher eine Großpackung Zehn-Liter-Müllbeutel. Wieder zu Hause, erwiesen sich diese umgehend als zu klein. Ich spannte die Beutel also gewaltsam um den Mülleimer. «Die Dinger, die du gekauft hast, sind blöde», meckerte Sara. Sie fand, dass man mit bloßem Auge abschätzen könne, dass die Dinger nichts taugten und dass ein vierköpfiger Haushalt nun einmal viel Müll produziere, und sie brächte alleine viermal pro Woche Müll nach draußen. Ich fand sie kleinlich, doch leider hatte sie recht. Die Beutel rissen ein, nicht nur oben am Rand, auch unten, wo sie im Eimer baumelten und zu schwer wurden. Riesenschweinerei. Als ich nach ein paar Tagen die vierte Tüte um den Mülleimer zwang, brach dieser von der Innenseite der Tür ab, an der er immer gehangen hatte.
    Es tauchte auf Geheiß meiner Gattin ein Mann bei uns auf (keine Ahnung, wo sie diese Typen immer sofort auftreibt; kaum gibt es ein Problem, klingelt es bei uns, das ist irgendwie beunruhigend), der einen mehr als tausend Seiten starken Katalog auf den Esstisch knallte, in welchem Mülleimer ein Kapitel von wenigstens hundertdreißig Seiten ausmachten. Ich hätte nie gedacht, dass man sich so lange über Mülleimer unterhalten kann, aber wir brauchten zwei Stunden für die Auswahl eines eckigen Exemplars, welches einem entgegenstrebt, sobald man die Tür öffnet. Es nimmt Unrat in mehreren verschiedenen Schächten auf, die jeweils Müllbeutel unterschiedlicher Größe und Farbe erfordern. Sagenhaft.
    Der Mann vermaß das Innere unseres Spülunterschrankes und stellte fest, dass dieser zu klein für den neuen Mülleimer und sowieso uralt sei. Das ist natürlich Quatsch. Ich bin zweiundvierzig und fühle mich nicht alt. Der Spülschrank ist vielleicht neun oder zehn, und er ist in tadellosem Zustand, wenn man davon absieht, dass der Rolls-Royce der Mülleimer nicht hineinpasst. Es gibt ja – kurze Abschweifung – für alles einen Rolls-Royce. Es gibt den Rolls-Royce unter den Röhrenverstärkern, den Rolls-Royce unter den elektrischen Zahnbürsten und den Rolls-Royce unter den Paprikachips. Vermutlich gibt es auch den Rolls-Royce unter den Bundespräsidenten, aber die Bundesversammlung hat sich für den 3er BMW unter den Bundespräsidenten entschieden.
    Sara wollte unbedingt den Müll-Rolls, und deshalb kam am nächsten Tag ein anderer Mann, um sich den Spülschrank anzusehen. Er machte uns Vorschläge, die allesamt

Weitere Kostenlose Bücher