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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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ein, er trank allein noch einen und noch einen, und ließ die Nase, je länger er nachdachte, um so tiefer hängen.
    »Ja, verdammt«, murmelte er schließlich, »das ist nun wirklich eine ganz blödsinnige und vertrackte Geschichte. Wie macht man so etwas eigentlich?«
    »Du hast doch daheim erzählt, du hättest Erfahrung in solchen Angelegenheiten«, bohrte ich erbarmungslos. Meine Bemerkung schien ihm sehr unangenehm zu sein. Er korkte die Flasche zu und starrte trüb in sein leeres Glas.
    »Tscha, Hermann«, murmelte er schließlich ein wenig bedrückt, »das ist ja nun auch wieder so eine Geschichte. Direkt eigentlich nicht. Immerhin habe ich mal in Hoboken in der Herberge >Zum alten Matrosen< mit einem Kerl im gleichen Zimmer gepennt. Und der hat mir eine Menge erzählt. Nämlich dem sein Bruder, der war mal ein paar Monate lang in einem Detektivbüro in Chicago angestellt...«
    »Ach, du lieber Himmel...«, sagte ich erschüttert, denn diese Eröffnung raubte mir mehr noch als Onkel Ferdinands Mißachtung der deutschen Grammatik die Hoffnung, daß er mit solchen fragwürdigen Weisheiten aus dritter Hand jemals Erfolg haben würde.
    Aber Onkel Ferdinand schlug sich vor die Stirn und sah mich aus blitzenden Augen an: »Ich hab's, Hermann!« verkündete er vergnügt, »und ich bin ein Idiot, daß mir dieser erstklassige Gedanke erst jetzt einfällt: Wir übergeben diesen verflixten Auftrag ganz einfach einem richtigen Detektivbüro!«

4

    Diese Patentlösung des Problems schenkte mir Einsicht in Dinge, die ich bis dahin nicht in ihrem vollen Umfang begriffen hatte. Ich bekam plötzlich Verständnis für meine Familie und für die Verwandtschaft und sah ein, weshalb sie alle zu zittern begannen und weiße Nasenspitzen bekamen, wenn Onkel Ferdinand am Horizont auftauchte. Aber ich begriff auch, daß er mit den moralischen Maßstäben meines Vaters nicht zu messen war. Er stand jenseits von Gut und Böse. Oder vielmehr, ihm fehlte jedes Kontrollorgan, die Grenzen des Erlaubten und Verbotenen zu erkennen. Er war ein altgewordenes Kind. Und er hielt für recht, was ihm nützte, und für unrecht, was nichts einbrachte. Ich konnte ihm nicht gram sein. Aber trotz dieser Einsicht in Onkel Ferdinands Seelenleben nahm ich meinen Hut vom Haken und war fest entschlossen, ihn in seinem eigenen Saft schmoren zu lassen.
    »Du willst doch nicht etwa gehen, Hermann!« rief er bestürzt. »Ausgerechnet jetzt, wo wir die Taschen voll Pinkepinke haben und die Tassen schwenken können!«
    »Schwenk die Tassen«, sagte ich unerbittlich, »aber ohne mich! Ich habe nicht die geringste Lust, meinen Urlaub und das nächste Jahr deinetwegen im Kittchen zu verbringen.«
    Onkel Ferdinand stürzte mir nach und hielt mich am Ärmel fest: »Sei kein Frosch, Hermann«, flehte er, »und laß mich jetzt nicht im Stich! Komm, alter Junge, sei vernünftig! Laß uns noch einen verlöten und hilf mir aus der Bredullje. Du hast doch immer solch famose Einfälle... Ohne deine flotte Klingelgarnitur wäre dieser Murchison in der ersten Minute getürmt und hätte seine schönen Hühnerchen in ein anderes Portemonnaie flattern lassen.«
    So schamlos erpreßte er mich. Als ob meine harmlose Malerei neben den Klingelknöpfen an allem schuld sei, was sich ereignet hatte. Immerhin erreichte er damit, daß ich meinen Hut wieder an den Garderobehaken hängte und den Schnaps, den er mir anbot, annahm. Nun, es war wirklich nicht der Cognac, der mich zum Bleiben bewog. Es war etwas ganz anderes.
    »Du meinst also«, begann Onkel Ferdinand, nachdem er mich in den Stuhl mit dem durchbrochenen Rohrgeflecht gedrückt hatte, »wir müßten selber etwas in der Angelegenheit Drost unternehmen, wie?«
    »Erraten! Genau das meine ich!«
    Onkel Ferdinand sah mich düster an: »Du hast etwas von deinem Vater an dir, Hermann. Ihr Martins könnt es einfach nicht ertragen, wenn man sein Geld auf eine anständige Art verdient. Immer verlangt ihr, daß man dafür auch etwas tun soll. Es ist ein rechtes Kreuz mit euch...«
    Ich unterbrach seine Betrachtungen mit der Frage, was er eigentlich von Mister Murchison und seinem merkwürdigen Auftrag halte. Aber er war völlig phantasielos, oder, wenn er so etwas wie Phantasie besaß, dann kreiste diese nur um Mister Murchisons Brieftasche.
    »Richtig, mein Junge«, rief er entflammt, »diese Kuh muß restlos ausgemolken werden!«
    »So habe ich es eigentlich nicht gemeint«, sagte ich ein wenig verzweifelt, »mich interessiert im

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