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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Augenblick viel mehr, was für einen Grund Mister Murchison wohl haben mag, über Fräulein Drost solch eingehende Erkundigungen einziehen zu lassen. Ist dir der Widerspruch nicht aufgefallen? Er behauptete zwar, persönlich an der jungen Dame überhaupt nicht interessiert zu sein und nur im Auftrag eines Klienten zu handeln. Weshalb kommt er dann überhaupt nach Deutschland? Um das zu erfahren, was er wissen will, hätte ein brieflicher Auftrag an irgendeine hiesige Auskunftei doch vollkommen genügt. Oder weshalb geht er, wenn er schon einmal hier ist, nicht selber zu diesem Mädchen? Die Erkundigungen, an denen ihm gelegen ist, kann er doch schließlich unter den gleichen Vorwänden einziehen, die wir werden erfinden müssen, um das zu erfahren, was er gern wissen möchte.«
    Onkel Ferdinand hörte mir schweigend zu und schob die Unterlippe weit vor. Sehr intelligent sah er nicht aus. Und er schwieg auch beharrlich weiter, als ich ihn fragend ansah, was er vorzubringen hätte.
    »Verstehst du überhaupt, was ich sagen will?« fragte ich schließlich in einiger Erregung, denn erst beim Sprechen und unter dem Zwang, die Gedanken zu ordnen und zu formulieren, die bis zu diesem Zeitpunkt nur flüchtig in mir aufgetaucht waren, spürte ich immer deutlicher, daß hinter diesem Mister Murchison und seinem Auftrag irgendein Geheimnis steckte.
    »Nee!« antwortete Onkel Ferdinand und schüttelte den Kopf, »ich verstehe von alledem — ehrlich gesagt — kein Sterbenswort. Und überhaupt, was, zum Teufel, geht es mich an, weshalb der Kerl hinter dem Mädel her ist? Mir ist die Hauptsache, daß er die Brieftasche voll Lirumlarum hat und das Moos bar auf den Tisch des Hauses legt. Dafür wird er erstklassig bedient, wie es der Tradition meines alten Unternehmens entspricht!«
    Wie sollte ich Onkel Ferdinand mein Mißtrauen erklären? Hätte ich ihm jetzt erzählt, daß ich vor ein paar Tagen in einer großen Illustrierten einen sehr ernst zu nehmenden Artikel über den internationalen Mädchenhandel gelesen hatte, in dem der Verfasser zu dem Schluß kam, die Zentrale dieser Organisation von Menschenhändlern sei in London zu suchen, so hätte er mich höchstwahrscheinlich ausgelacht.
    Vielleicht sogar mit Recht ausgelacht, denn ich konnte wahrhaftig nicht behaupten, Murchison hätte auf mich etwa einen ungünstigen Eindruck gemacht. Seine Art, sich zu bewegen und zu sprechen, war fraglos die Art eines Mannes, der aus einem guten Stall kam. Es war nichts als irgendein dunkler Instinkt, der mich vor ihm warnte.
    »Zerbrich dir doch jetzt nicht dein Köpfchen, mein Junge!« sagte Onkel Ferdinand herzlich, und der Geist der Unternehmungslust begann in seinen Augen aufzublitzen. »Wir haben drei volle Tage Zeit. Heute wollen wir mal richtig feiern, und glaube mir, was ich dir sage, denn ich spreche aus langer Erfahrung: nach der dritten Flasche kommen uns die guten Einfälle ganz von selbst.«
    Das Geld schien ihm in der Tasche zu brennen. Und mich begann das Rätsel zu locken, das sich hinter Murchisons Auftrag verbarg. Ich hatte Urlaub. Weshalb sollte ich nicht ein paar Tage, die ohnehin verregnet waren, an eine Aufgabe hängen, die mir nicht ohne Reiz erschien.
    »Hör zu«, sagte ich plötzlich, »die Geschichte interessiert mich. Überlaß die Nachforschungen nach dem Mädchen mir. Bist du damit einverstanden?«
    »Bravo, Hermann!« rief Onkel Ferdinand entzückt, »etwas Besseres konntest du mir nicht sagen!«
    Er schlug mir auf die Schulter und sah für sich den Anbruch einer Reihe von heiteren und unbeschwerten Tagen.
    »Tu mir dafür einen Gefallen«, bat ich, »du hast doch gute Beziehungen zum Personal des Savoy-Hotels, wo unser Freund Murchison wohnt. Versuch einmal, herauszubekommen, wer er eigentlich ist, wo er herkommt und was er hier treibt.«
    »Du spinnst komplett, Hermann«, sagte Onkel Ferdinand kopfschüttelnd. »Was hast du nur gegen unseren Wohltäter Murchison einzuwenden? Das ist ein Gentleman — dafür habe ich einen Blick! — und für den lege ich meine Hand ins Feuer. Aber gut, wenn du es durchaus haben willst, dann kann ich mich ja ein wenig tun ihn kümmern. Und jetzt komm, alter Junge, wir haben lange genug geschuftet. Alles mit Maß und Ziel! Das ist ein guter Wahlspruch, besonders der Arbeit gegenüber.« Er blinzelte mir munter zu.
    Ich hatte nicht die geringste Lust, mich von Onkel Ferdinand schon am frühen Nachmittag durch ein Dutzend Kneipen schleifen zu lassen, und schützte eine dringende

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