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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Geschäfte erst nach einer guten Stunde schlossen, machte ich mich auf den Weg, um Fräulein Drost noch heute einen Besuch abzustatten. Unterwegs aber, beim Bummel durch die Straßen kam mir der Einfall, der es mir ersparte, auf listigen Schleichwegen zu erfahren, was ich wissen wollte.
    Die Bomben, die unsere alte Stadt im Zentrum und auch in den Außenbezirken so bös mitgenommen hatten, waren an der Kalendergasse, die in der Nähe des Stadtparks lag, einigermaßen gnädig vorbeigefallen. Ein paar Häuser hatten neue Dächer und einige andere waren um ein Stockwerk verkürzt worden, aber im großen und ganzen machte die Gasse den Eindruck altväterlicher Solidität. Eines war mir allerdings beim Betreten der Kalendergasse sofort klar, daß nämlich die Brötchen, die Fräulein Drost sich hier mit ihrer Leihbücherei verdiente, nicht allzu üppig belegt sein konnten. Denn es war eine jener abseits vom großen Strom liegenden Straßen, in denen noch das Gras zwischen den Steinen gedieh.
    Das Haus von Frau Wiskott war ein ziemlich engbrüstiger Bau, der gewiß auf das ehrwürdige Alter von zweihundert Jahren zurückblicken konnte. Neben der schmalen Haustür nahmen die beiden kleinen Schaufenster des Handarbeitsgeschäftes und der Bücherei mit den beiden getrennten Eingängen die ganze Breite des Hauses ein.
    Ich trat ohne zu zögern in die Leihbibliothek ein. Ein Läutwerk aus Glasstäben über der Tür klirrte diskret und melodisch auf, und ich befand mich in einem mittelgroßen Raum, dessen Einrichtung aus deckenhohen Regalen aus Naturholz, einem Ladentisch mit einer Barriere und zwei Korbstühlen bestand, die in die Nähe des Schaufensters gerückt waren und die Kunden wahrscheinlich verlocken sollten, gemütlich in den Schätzen der Bücherei zu schmökern.
    Durch eine halbgeöffnete Tür konnte ich den Ausschnitt eines winzigen Zimmerchens erblicken, aus dem, kaum, daß die Melodie des Läutwerks verhallt war, eine junge Dame in einem weißgetupften hellblauen Sommerkleid trat. Keine Hopfenstange, ohne Pusteln auf der Stirn, ganz im Gegenteil von dem, was ich anzutreffen erwartet hatte. Mit einem Wort, ein bildsauberes Mädel, blond, kaum eine Handbreit kleiner als ich, und mit zwei Reihen prachtvoller Zähne, die mich fragend und lächelnd anblitzten.
    »Fräulein Drost?« fragte ich ein wenig beklommen, denn irgend etwas in ihrer Erscheinung störte mich in meinem Programm. Bei einem Pustelgesicht wären mir die Eröffnungszüge leichter gefallen.
    Sie nickte, aber in ihrem Nicken lag zugleich eine Frage nach meinen Wünschen.
    »Mein Name ist Martin — Hermann Martin«, sagte ich mit einer kleinen Verbeugung.
    In ihren Augen erlosch der kleine Hoffnungsschimmer, ich könnte den Laden als Kunde betreten haben. Und sie blickte mich ein wenig ängstlich an, als wären vor mir der Gasmann, der Bote vom Gewerbesteueramt und der Kassierer von der Ortskrankenkasse bei ihr gewesen, um ihr die Börse zu erleichtern, und als traue sie mir durchaus zu, ich könnte die Reihe dieser unerfreulichen Besucher fortsetzen. Ich schüttelte den Kopf und nickte ihr beruhigend zu,
    »Sie haben gewiß schon etwas von Gallup gehört, Fräulein Drost«, begann ich, »jenem amerikanischen Institut, das sich mit der Erforschung der öffentlichen Meinung beschäftigt...«
    »Gewiß...«, antwortete sie vorsichtig und sah mich fragend an.
    »Wir haben in Deutschland ein ähnliches Unternehmen«, sagte ich munter. »Das DFI — das Deutsche Forschungs-Institut. Ich weiß nicht, ob Sie davon schon gehört haben?«
    »Nein«, sagte sie nach einem kleinen Zögern, »ich kann mich jedenfalls nicht darauf besinnen, diesem Namen schon begegnet zu sein.«
    »Das Institut tritt auch öffentlich kaum in Erscheinung, denn wir sammeln nur Resultate und überlassen die Auswertung unserer Umfragen den Tageszeitungen oder anderen interessierten Stellen. Wir haben übrigens bereits eine Menge sehr interessanter Themata behandelt...«
    »Ich bin keine sehr eifrige Zeitungsleserin«, gestand sie ein, »mich interessiert eigentlich nur das Feuilleton und das Lokale...«
    »Sehen Sie!« rief ich, »damit sind wir schon mitten in der Sache!« Ich zückte meinen Kugelschreiber und suchte zum zweitenmal an diesem Tage nach einem Blatt Papier.
    »Um Himmels willen«, wehrte sie erschrocken ab, »wollen Sie den Unsinn, den ich daherrede, etwa notieren?«
    Ich bat sie, völlig beruhigt zu sein. Weder ihr Name noch irgend etwas, was ihr Peinlichkeiten bereiten

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