Mein Onkel Ferdinand
könne, gelange je zur Kenntnis der Öffentlichkeit. Die Aufgabe des DFI bestehe darin, Tausende von Personen zu befragen und aus Tausenden von Antworten sozusagen die Quersumme zu ziehen. Ich log mit einer Sicherheit, die mich selber verblüffte. Zugute kam mir, daß ich mir als Student in den Semesterferien tatsächlich einmal als Interviewer einer Forschungsanstalt ein paar Kröten verdient hatte.
Meine Antwort schien Fräulein Drost zu beruhigen. Trotzdem blieb sie ziemlich kühl und reserviert: »Verzeihen Sie die Frage«, bat sie mit einem entschuldigenden Lächeln, »das ist sicherlich eine sehr interessante Beschäftigung, die Sie da betreiben... Ist das Ihr Beruf?«
»Nein, nein!« rief ich, »ich besorge das rein ehrenamtlich und aus einem gewissen Interesse an der Sache. Ich bin von Beruf Chemiker. Ich arbeite hier in einem Labor, das pharmazeutische Präparate herstellt...« Und da ich meine Brieftasche bereits gezogen hatte, überreichte ich ihr zur Legitimation wenigstens meine Karte: Dr. ehem. Hermann Martin, Maximilianstraße 5... Und die sechshundert Mark, die der Doktortitel meinen armen Vater gekostet hatte, machten sich bezahlt: Fräulein Drost bot mir einen Stuhl an!
»Bitte, setzen Sie sich doch«, sagte sie und fügte nach einem raschen Blick auf ihre kleine Armbanduhr hinzu: »Oder warten Sie, Herr Doktor, hier ist es nicht gerade sehr gemütlich. Ich sperre den Laden sowieso zu. Kommen Sie doch in mein Zimmer, aber machen Sie sich so dünn wie möglich, denn es ist schrecklich klein.«
Fräulein Drost schloß die Ladentür ab, hob die klappartige Schranke zwischen den beiden Theken hoch und lud mich mit einer Handbewegung ein, in ihr Zimmer einzutreten.
»Gedulden Sie sich noch ein paar Sekunden«, bat sie, »ich laufe nur noch rasch zu meiner Tante hinüber. Sie brüht den Tee nämlich für Punkt halb sieben auf, und vielleicht verspäte ich mich heute ein wenig.«
Sie verschwand durch eine kleine Tapetentür und ließ den Duft eines zarten Parfüms zurück, der mich sehr angenehm anwehte.
»Jetzt nicht weich werden, Hermann!« rief ich mir streng zu, »du bist nicht zum Vergnügen hier, und es geht dich nichts an, daß dieses Fräulein Drost ein verdammt nettes Mädchen ist!«
Sie kam nach kurzer Zeit zurück und ich sah, daß sie die Schuhe gewechselt hatte. Waren es vorher flache Pumps, so waren es jetzt Sandaletten aus hellem Naturleder, durch deren offene Spitzen die Fußnägel rosig hindurchschimmerten. Ihre wohlgeformten Beine mit sehr schlanken Fesseln waren ein durchaus erfreulicher Anblick, aber ich ließ meinen Blick rasch von diesen Erfreulichkeiten abirren.
Es war wirklich ein winziges Zimmerchen, in dem wir uns befanden, vier Schritte lang und drei Schritte breit. Links stand eine hellbraun bezogene Couch, davor ein kleiner runder Tisch mit einem strohgeflochtenen Korb voller Äpfel, und am Tisch ein kleines Sesselchen. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein Schreibtisch, darauf ein paar Kartothekkästen und eine Lampe mit einem schweren Bronzefuß, auf deren gelbem Pergamentschirm eine Karavelle mit flatternden Wimpeln zu fernen Gestaden segelte. Zwei Bilder, ein Breughel und Rembrandts Mann mit dem Goldhelm, hingen an den Wänden. Eine bunt bemalte Bauerntruhe mit der Jahreszahl 1778, ein kleines Radio, das mit ein paar Büchern auf einem Wandbrett über der Couch stand, vervollständigten die Einrichtung. Es war ein hübsches kleines Zimmerchen, allerdings so eng, daß man mächtig Obacht geben mußte, um nicht bei jeder Bewegung oder Drehung die Blumenvase von der Truhe oder die Äpfel vom Tisch zu fegen.
Durch das geöffnete Fenster sah man in die Grünanlagen des Stadtparks hinein, gerade auf den von Buschwerk umstandenen Teich, auf dem ein paar Enten gründelten.
»Hübsch haben Sie es hier, wirklich hübsch!« sagte ich spontan. Für eine Stadtwohnung war es wirklich eine wundervolle Lage.
»Ja, sehr hübsch«, nickte sie mit einem kleinen Seufzer, »aber manchmal wäre es mir doch lieber, es wäre weniger hübsch und der Laden läge in einer etwas lebhafteren Geschäftsgegend. Doch ich will mich nicht beklagen, es langt zum Leben und manchmal sogar zu einer Kino- oder Theaterkarte. Ich bin nicht sehr anspruchsvoll.«
Sie setzte sich auf die Couch und lud mich durch eine Handbewegung ein, ihr gegenüber in dem kleinen Sessel Platz zu nehmen: »Und was wollen Sie mm von mir wissen?« fragte sie und sah mich erwartungsvoll an.
»Aus der Anlage der
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