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Mein perfekter Sommer

Mein perfekter Sommer

Titel: Mein perfekter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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auf dem Highway einfädele oder in den Nachrichten was über irgendein Mädchen in meinem Alter sehe, das verunglückt ist. Doch sogar das sind ganz vage, flüchtige Vorstellungen und nichts, was 12 Meter vor mir mit rasiermesserscharfen Klauen und grimmigen Zähnen rumsteht. Doch zitternd vor Angst offenbart sich mir mit einem Mal die Wahrheit: Das durch die Adern rasende Blut, das Prickeln auf meiner eisigen Haut, die Intensität jeden Atemzugs  – das ist mein Leben.
    Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis der Bär außer Sichtweite getrottet ist. Vielleicht dauert es nicht länger als zehn Sekunden, aber für mich sind die wie Stunden.
    »Warte noch eine Weile«, flüstert Reeve, der mich noch immer hält. »Gib ihm Zeit abzuhauen.«
    Ich nicke, Adrenalin rauscht durch mein System. Schließlich spüre ich, dass Reeve sich entspannt.
    »Er ist weg«, sagt er heiser, er löst den Griff um meine Arme und dreht mich um, sodass ich ihn ansehe. Ich bewege mich immer noch nicht. »Geht’s dir gut?«
    »Glaub schon …« Ich schwanke und er zieht mich wieder an sich und gibt mir Halt. Ich schaue auf. Seine Wimpern sind nass, Wasser läuft ihm übers Gesicht.
    »Tut mir leid.«
    Ich blinzele, langsam überwinde ich meine Benommenheit. »Wie … also, das war doch nicht deine Schuld.«
    Reeve schüttelt den Kopf. »Ich hätte vorsichtiger sein müssen. Ich hätte schon vor Stunden umkehren sollen. Hab doch gesehen, wie die Wolken sich veränderten.«

    Vielleicht sind es die Endorphine, die noch in meinem Blut jubilieren, vielleicht bin ich auch einfach nur dankbar, dass ich noch hier stehe und nicht als blutig verstümmelter Haufen am Boden liege. Egal was, ich schaue ihn an und sage total tollkühn. »Und warum hast du’s gelassen?«
    Eine ganze Weile sehen wir uns in die Augen.
    »Ich wollte nicht …« Er zögert, mit einer Hand streicht er die Strähne weg, die an meiner Stirn klebt. Ich fühle etwas, das rein gar nichts mit Nahtoderlebnissen zu tun hat. Da ist was zwischen uns. Unmöglich, dass ich mir das einbilde,  … das hier ist kein Wunschdenken.
    Reeve guckt weg. »Ich dachte, vielleicht …«
    Und dann, ehe er noch einen Ton von sich geben kann, küsse ich ihn.
    Unsere Gesichter sind kalt vom Unwetter, trotzdem wird mir heiß, als ich langsam meine Lippen auf seine drücke, ganz unsicher zuerst. Ich schlinge ihm die Arme um den Hals, ziehe seinen Kopf herunter zu mir und küsse ihn mit einem Mut, den ich vor ein paar Minuten noch nicht hatte.
    Das ist mein Leben.
    Ich will nicht rumsitzen und mir Olivias Abenteuer anhören, ich will selber welche erleben. Immer war ich still, bin zu Hause geblieben, hab es abgelehnt, mich mit Jungs zu treffen, die eigentlich ganz nett waren, denn ich wollte wirklich etwas fühlen. Und jetzt, wo ich es tu, will ich es ganz für mich haben.
    Kurz bevor mir vor Panik das Herz stehen bleibt, erwidert er meinen Kuss.

    Sanft zieht Reeve mich an sich, er nimmt mein Gesicht zwischen die Hände. Atemlos klammere ich mich an seine Schultern, seinen Hals, überwältigt von dem Gefühl, seinen Mund auf meinem zu spüren, seine Zähne an meinen Lippen …
    Oh Gott.
    Ich weiß nicht genau, wie lange es dauert, bis ich mich losmache. Ich weiß nicht mal genau, warum ich es überhaupt tue, außer … es ist zu viel. Etwas unsicher auf den Beinen löse ich mich von ihm und ziehe mein durchnässtes T-Shirt runter, das irgendwie in Richtung BH gerutscht ist.
    »Wir sollten lieber zurückgehen«, sage ich, als mein Hirn schließlich wieder in der Lage ist, Worte zu bilden.
    »Zurück. Klar. Also …« Eindeutig aus der Fassung gebracht, zieht er sich sein eigenes Hemd glatt. Es tut mir gut zu sehen, dass er sich auch erst mal erholen muss. Wenigstens bin ich nicht die Einzige, die hiervon überwältigt ist. Nach einer Weile nimmt er seinen Rucksack.
    »Hat aufgehört zu regnen«, sagt er. Klingt alles andere als lässig.
    »Hat es das?« Ich schaue hoch. Die Kiefern um uns herum sind voller dicker Tautropfen, aber es gießt und donnert nicht mehr. Stattdessen hat eine große Stille den Wald erfasst. »Hab ich gar nicht gemerkt.« Schüchtern schaue ich ihn an und zu meiner Erleichterung grinst er zurück  – konspirativ und glücklich.
    »Komm, ehe du dich totfrierst.« Er reicht mir die Hand, ich nehme sie und fühle mich absolut unbesiegbar.

25. Kapitel
    Er ruft nicht an.
    Drei Tage sind vergangen seit unserer Wandertour. Drei Tage ist es her, seit Reeve mich geküsst hat,

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