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Mein russisches Abenteuer

Mein russisches Abenteuer

Titel: Mein russisches Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mühling
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Manneskraft
ist ungebrochen!«
    »Gratuliere.«
    »Soll ich Ihnen mein Geheimnis verraten?«
    »Unbedingt.«
    Er drückte mir ein kleines Glasgefäß in die Hand, gefüllt mit einer
braunen Flüssigkeit. Auf dem Etikett stand ein vertrauter Name: Pinus sibirica.
    »Zirbelkiefernöl«, sagte der Mann. »Stärkt die Abwehrkräfte,
verbessert die Durchblutung, kräftigt das Nervensystem, verlangsamt den
Alterungsprozess und …« – zwinkernd legte er eine Hand in den Schritt – »… steigert die Manneskraft! Nehmen Sie, ich schenke es Ihnen! Wenn Sie mehr
brauchen, wissen Sie, wo Sie mich finden. Soll ich Ihnen mein zweites Geheimnis
verraten?«
    »Ja, bitte.«
    Verschwörerisch sah er sich nach links und rechts um, dann beugte er
sich flüsternd zu mir. »Jesus lebt.«
    Ich musste lachen. »Das ist kein Geheimnis. Die halbe Welt spricht
darüber.«
    »Er lebt! Er ist zurückgekehrt! Sein Name ist Wissarion! Er ist der
Sohn Gottes, er ist auferstanden! Er lebt in der Taiga, nicht weit von hier,
fahren Sie hin, überzeugen Sie sich selbst!«
     
    Das Glas mit dem Zirbelkiefernöl zerbrach auf dem
Nachhauseweg in meiner Tasche. Ich war gerade dabei, die braunen Flecken
auszuwaschen, als mein Handy klingelte. An der atemlosen Stimme erkannte ich
Galina Alexandrowna, die Linguistin.
    »Sie sind noch in Krasnojarsk?«, fragte sie. »Sehr gut. Ich habe ein
bisschen telefoniert, und es gibt jemanden, der uns zu Agafja bringen kann. Mit
dem Boot, stromaufwärts den Abakan entlang, dann weiter zu Fuß durch die Taiga.
Es wird schwierig, aber er will es versuchen.«
    »Großartig«, sagte ich. »Aber hatten Sie nicht gesagt, dass Sie nie
wieder …?«
    Sie seufzte. »Ich habe nachgedacht. Ich glaube, es muss sein. Die
Forschung, verstehen Sie, das Thema ist zu wichtig …« Sie murmelte ein paar
Fachausdrücke, die ich am Telefon schlecht verstand. »Leider können wir
frühestens in zwei Wochen fahren«, fuhr sie fort. »Der Schnee in den Bergen
schmilzt, der Fluss ist noch nicht schiffbar, die Strömung ist zu stark. Können
Sie so lange warten?«
    »Ja.«
    »Gut. Ich rufe Sie an, sobald der Flusspegel sinkt.«
    Als sie aufgelegt hatte, ging ich in den nächsten Buchladen und
kaufte mir eine Karte des Verwaltungsbezirks Krasnojarsk. Ich suchte das Reich
Gottes. Es war nur ein paar hundert Kilometer entfernt.

Messias der Mücken
    Es steht geschrieben im Letzten Testament, Buch 4, Kapitel
41, Vers 26: Das
Vorbestimmte vollzieht sich. Und auf dem Berg Zion sammeln sich die würdigen
Kinder Gottes!
    Der Berg tauchte unerwartet auf. Hinter einer Wegbiegung riss er
sich ruckartig das Kleid der Kiefern vom Leib und entblößte seine Gipfel,
effektvoll wie eine routinierte Stripperin.
    Einen ganzen Tag lang hatte ich die Steppen südlich von Krasnojarsk
durchquert, per Zug, Bus, Marschrutka. Kurz hinter der Provinzhauptstadt Abakan
hatten erste Baumgruppen die Monotonie der Wiesen durchbrochen, Birken
zunächst, die Nadelbäumen wichen, als am Horizont der Berg auftauchte. An
seinem Fuß vermauerte dichte Taiga den Blick in alle vier Himmelsrichtungen.
    Ich kannte zu diesem Zeitpunkt nicht viele sibirische Dörfer, aber
dass Petropawlowka aus dem Rahmen fiel, war nicht zu übersehen. Die Dorfstraßen
waren zu sauber, die Gemüsegärten zu gepflegt, die Holzhäuser zu neu. Am
irritierendsten aber war die gute Laune der Dorfbewohner. Sie strahlten. Sie
sangen. Sie grüßten.
    Petropawlowka und die Dörfer Tscheremschanka, Scharowsk und
Guljajewka gehören zum Reich Gottes, von dem mir der Kiefernölverkäufer in
Krasnojarsk erzählt hatte. Etwa viertausend Menschen leben in den Siedlungen am
Fuß des Bergs. Gott selbst lebt auf dem Gipfel. Deshalb standen ich und ein
paar Gotteskinder nun schon seit dem frühen Morgen an der Bushaltestelle von
Petropawlowka, denn es steht geschrieben im Busfahrplan, dass der Berg zwei Mal
pro Woche angesteuert wird, dienstags und samstags, Mitfahrwillige bitte
rechtzeitig in die ausliegenden Listen eintragen.
    Der Bus war ein alter Kleinlaster. Es gab ein wenig Streit, als wir
auf die offene Ladefläche kletterten, weil Sascha sich wieder nicht in die
Liste eingetragen hatte und trotzdem mitwollte. Die Fahrer lachten ihn aus, Sascha
quengelte, Sascha durfte mit. Er setzte sich neben mich, ein Hüne mit
Kindergesicht. Als der Laster losfuhr, begann er zu reden: Es war immer das
Gleiche mit ihm, er hatte sich nicht im Griff, immer handelte er, bevor er
dachte, und weil er sich ändern wollte, war

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