Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Titel: Mein Schutzengel ist ein Anfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
Vom Netzwerk:
pilgern«, verkündet Sylvia, » in wallenden Gewändern.«
    Um ihn zu überzeugen, bringt sie wenige Stunden später die DVD mit einem Dokumentarfilm über den Pater vorbei. Max erträgt ihn nur wenige Minuten. Bis gezeigt wird, wie der verklärt schielende Heiler einer Frau mit einem Skalpell die Brust aufschneidet, mit den Fingern hineingreift und irgendetwas herauszieht. Instinktiv sieht Max weg, hört noch, dass die Wunde innerhalb weniger Tage verheilt sei, und klappt den Laptop zu.
    Nein, er würde nicht nach Mannheim fahren, um sich hinter mehreren tausend, weiß gewandeten Patienten anzustellen, die innerhalb von vier Tagen an dem Heiler vorbeidefilieren. Und zwar nicht nur, weil Max ihn für einen Scharlatan hält, sondern ganz einfach, weil er ihm mitsamt seinen Heilmethoden zutiefst unsympathisch ist.
    Als Sylvia abermals kommt, um die Reise mit ihm zu besprechen, erklärt er: » Nein, ich komme nicht mit.«
    Sylvia ist überrascht.
    » Aber warum denn nicht? Sonst rennst du doch inzwischen auch überallhin. Zu deinem blutenden Heiler im Allgäu oder dem Lebertypen oder der Hypnotiseurin. Der Brasilianer kann wirklich was.«
    » Es geht gar nicht darum, ob er was kann oder nicht. Das ist nicht mein Weg. Ich bleib jetzt bei den Sachen, die zu mir passen. Außerdem habe ich mich an meine morgendlichen Atemübungen schon gewöhnt.«
    Sylvia verstummt. So bestimmt und selbstsicher kennt sie Max in diesem Zusammenhang gar nicht. Es steht ihm, findet sie.
    » Du hast ja Recht. Es ist besser, wenn du bei einer Sache bleibst und dich nicht verzettelst. Bei Heilern muss man auf seinen Bauch hören.«
    Wie sie bei dem Schweizer. Der habe sich wieder bei ihr gemeldet und sich sehr charmant für sein Verhalten bei dem Gruppen-Healing entschuldigt. Während sie es erzählt, sieht sie so verträumt aus dem Küchenfenster, dass eine vorbeihumpelnde Frau beschämt den Blick senkt.
    Max ist sich seiner Sache sicher: Qi-Gong, beten, in Kunst baden und Trost predigen reichen aus. Auf diese Disziplinen möchte er sich konzentrieren.
    » Weißt du, ich muss mich selbst darum kümmern, um meinen Körper. Es hat ganz schön lange gedauert, bis ich das verstanden habe. Es geht nicht, ihm hin und wieder einen Knochen hinzuwerfen und zu hoffen, er würde davon satt.«
    Sylvia wiegt den Kopf wie ein Orakel.
    » Außerdem habe ich eine Theorie«, setzt Max nach.
    » Du auch noch!«
    » Wenn man sich wie ein Pingpongball hin- und herschlagen lässt, ist man zwar ständig in Bewegung, aber auch ganz schön fremdbestimmt. Mir würde besser gefallen, eine große und schwere Kugel zu werden, die das Richtige mit ihrer Schwerkraft anzieht.«
    Sylvia schweigt.
    » Und, was sagst du zu meiner Theorie?«, fragt Max.
    » Ich hab schon unlogischere gehört. Aber das mit der Achtsamkeit finde ich gut. Achtsamkeit mit dem eigenen Körper ist gerade total in.«
    » Ja, ich weiß. Nur bin ich selbst darauf gekommen. Das macht den Unterschied.«
    Während er es sagt, fällt ihm siedend heiß seine vernachlässigte Leber ein. Kaum beginnt man eine Beziehung mit ihr, will sie dauernd unterhalten werden. Er fühlt sich seit ihrer Erweckung für sie verantwortlich. Wie für die Zimmerpflanze eines Nachbarn, die zu gießen man versprochen hat.
    Noch am selben Abend legt Max routiniert seine Hand auf den untersten Rippenbogen und wartet. Nichts passiert. Dabei hat sie sich doch nach der großen Verweigerung vor einigen Wochen durchaus wieder empfänglicher gezeigt. Angestrengt überlegt er, auf wen er noch wütend sein könnte, aber es fällt ihm niemand mehr ein. Also lässt er die Gedanken treiben, die sich bald in Formen und Lichter auflösen.
    Und auf einmal, beim Ausatmen, quietscht er wie ein im Laufrad eingeklemmter Hamster. Etwas theatralisch erschreckt fährt er zusammen. Und gibt in den nächsten Minuten ein ganzes Arsenal an erstickten Schreien, Seufzern, Röcheln von sich. Wie ein sterbender Held auf der Opernbühne. Seine Leber, so viel steht inzwischen fest, liebt den großen Auftritt. Aber selbst diese Exzentrik hat er akzeptiert. Sie beansprucht eben viel Aufmerksamkeit. Dabei gäbe es ja durchaus auch andere Organe. – Mit einem jäh aufflammenden Freiheitsdrang wird er sich dessen bewusst. Dabei hat Karl bereits genug Hinweise gegeben. Es dauert eben immer eine Weile, bis sie in sein Bewusstsein dringen.
    Mein Herz, ich habe mein Herz vergessen!
    Wie konnte er nur? Nicht dass dieses vor Eifersucht noch zu streiken beginnt. In

Weitere Kostenlose Bücher