Mein Seelenauftrag
anzugleichen.
3. Das Problem der Freiheit von der Identifikation mit bestimmten Rollen und der persönlichen Vergangenheit
Was tun Sie, wenn Sie merken, dass die Rollen, über die Sie sich bislang definiert haben, nicht mehr genügen; dass Sie allmählich jenseits davon existieren? Wie werden Sie durch die Welt gehen, wenn Sie erkennen, dass Sie sich nicht mehr so leicht anhand von Rollen wie »Vater«, »Mutter«, »Bankkaufmann«, »Golfer«, »Aktivistin« oder anderen Dingen identifizieren lassen, die mit Begriffen der materiellen Realität zu beschreiben sind?
Wie werden Sie funktionieren, wenn Ihnen bewusst wird, dass Sie in erster Linie ein spirituelles Wesen sind und die Rolle des – sagen wir mal – Geschäftsführers ebenso anlegen, wie Sie morgens in einen bestimmten Anzug schlüpfen? Ironischerweise werden Sie feststellen, dass Sie die von Ihnen gewählten Rollen in der Phase des Erwachens bewusster spielen.
Während die Erkenntnis in Ihnen reift, dass Sie ein spirituelles Wesen und in der Ewigkeit zu Hause sind, werden Sie merken, wie Ihre persönliche Geschichte in den Hintergrund rückt. Je deutlicher Ihnen bewusst wird, wer Sie sind, desto mehr wird auch die Bindung an und die Identifikation mit Ihrer Vergangenheit nachlassen.
Eines Tages stellte ich Dr. Hunter in einem Gespräch eine Frage zu meiner Herkunft. Ich sagte, dass ich zwar in der jüdischen Tradition aufgewachsen sei, aber keine besonders starke Verbindung zu dieser Religion empfände.
»Nun«, erwiderte sie mit dem leichten Lächeln, das ich zu schätzen gelernt hatte, »du kennst ja das Bibelzitat: ›Gehet aus von ihnen‹ 12 .«
Ich nickte, und sie fuhr fort: »Irgendwoher musstest du ja kommen. Im Grunde spielt das auch gar keine Rolle. Wenn wir erwachen, werden wir für diejenigen, die nach uns kommen, zum Vorbild. Wir zeigen ihnen, was es heißt, sich von der Form zur Essenz weiterzuentwickeln.«
4. Das Problem, weiter am Leben teilnehmen zu müssen
Wenn Menschen früher derartige Transformationserfahrungen machten, entsagten sie dem materiellen Leben, traten in den örtlichen Ashram ein, gelobten Besitzlosigkeit und führten fortan ein klösterliches und kontemplatives Leben, das allein der Erkenntnis Gottes gewidmet war.
Heutzutage, da Menschen in nie da gewesener Zahl erwachen, sind im Ashram einfach nicht genügend Betten frei. Es ist, als sei die Berliner Mauer der Spiritualität gefallen und Millionen Menschen drängten auf die andere Seite. Aber wir haben hungrige Mäuler zu stopfen, haben studierende Kinder und pflegebedürftige ältere Familienmitglieder zu versorgen. Wir haben zahlreiche Verpflichtungen, denen wir nachkommen wollen und denen wir auch weiterhin nachkommen müssen. Wir lernen lediglich, dies aus einer anderen inneren Haltung heraus zu tun.
Gleichzeitig hat das Leben nicht mehr den Sinn für uns, den es früher einmal hatte. Dies liegt in erster Linie daran, dass die materielle Motivation, die früher einmal der Motor war, womöglich plötzlich nachlässt. In Carlos Castanedas Buch Eine andere Wirklichkeit verweist Don Juan auf dieses Phänomen, indem er das tägliche Tun des »Wissenden« als »kontrollierte Torheit« beschreibt. 13 Es geht bei diesem Problem also um nicht mehr und nicht weniger, als zu lernen, »in der Welt, aber nicht von der Welt« zu sein. 14
5. Das Problem der Unzulänglichkeit der Worte
Die ganze Angelegenheit wird noch dadurch kompliziert, dass Sie merken, wie unzureichend Ihr Wortschatz ist, wenn es darum geht, Ihre Erfahrung den Menschen in Ihrem Leben mitzuteilen, die nichts Vergleichbares erleben. Die Worte, die Sie früher benutzt haben, haben nun einen anderen Sinn, denn auf den einzelnen Stufen des Gewahrseins wandelt sich ihre Bedeutung.
Mit dem Wort Liebe zum Beispiel ist in der materiellen Realität für gewöhnlich ein gewisses Maß an Intimität und Nähe gemeint. Es verweist auf eine sehr persönliche gemeinsame Erfahrung.
In der spirituellen Realität schließt das Wort Liebe die persönliche Liebe ein, geht aber auch darüber hinaus. Es ist sehr viel weiter, allumfassender und bedingungsloser. In der spirituellen Realität ist die Liebe wie die Schwerkraft – sie wirkt auf alles ein und zieht es an! Sie ist unsere innere Essenz. Das ist im Matthäus-Evangelium (22:39) mit den Worten gemeint: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.«
Vielleicht wurde die tiefere seelische Bedeutung des Lebens oft deshalb durch Musik, Dichtung, Malerei und
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