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Mein Seelenauftrag

Mein Seelenauftrag

Titel: Mein Seelenauftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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stiegen in mein Allradauto und fuhren los. Als wir ankamen, lief Holly schnurstracks in den Wald und schnitt einen sich gabelnden Ast vom Baum. Er fragte, in welchem Teil des Grundstücks er nach Wasser suchen solle, dann schritt er den von mir genannten Bereich der Länge nach ab, die Astgabel parallel zum Boden. Ein paar Mal zuckte die Spitze heftig nach unten, und ich musste dort zur Markierung kleine Pflöcke in die Erde treiben.
    Als Holly fertig war, sahen wir uns die markierten Stellen noch einmal an. Mit der Astgabel in den Händen begann er, im Geiste eine Reihe von Fragen zu stellen. Er bat mich, die Antworten aufzuschreiben, die er nannte.
    Anschließend sahen wir uns die Daten an, es gab mehrere Möglichkeiten, und entschieden uns für eine Stelle, die sich meiner Ansicht nach – zumindest oberflächlich – nicht von den anderen in einem Umkreis von etwa dreißig Metern unterschied. Wir wählten sie, weil sie ganz oben am Hang lag und sich der Grund dort hervorragend als Bauplatz eignete. Holly zufolge gab es dort eine brauchbare Wasserquelle, nur knapp 3,40 Meter unter der Erde.
    Wie bitte? 3,40 Meter? Andere Brunnenbohrer waren zu dem Ergebnis gelangt, dass wir mindestens 60 Meter tief bohren müssten, um gutes Wasser zu finden. In Anbetracht dessen war Hollys Prognose unglaublich. Wenn sie zutraf, bedeutete dies auch, dass wir kein Bohrgerät brauchten. 3,40 Meter waren gerade noch mit einem einfachen Bagger zu machen.
    Ich brachte Holly nach Hause und zeigte mich persönlich sowie finanziell erkenntlich, wofür er dankbar war. Dann überlegte ich, wie es weitergehen sollte. Ich wollte ihm glauben. Andererseits hielt ich es für eher unwahrscheinlich, dass wir in einer Tiefe von nur 3,40 Metern gutes Trinkwasser finden würden.
    Ich dachte ein paar Tage nach, dann traf ich eine Entscheidung. Der erwachsene, ausgebildete Wissenschaftler in meinem Kopf beugte sich dem naiven, kindlichen Mystiker in meinem Herzen. Ich rechtfertigte meine Wahl damit, dass es nicht allzu viel kosten würde, einen Bagger und einen Arbeiter ein paar Stunden zu beschäftigen. Wieso sollte ich es nicht versuchen? Schließlich handelte es sich um eine Art Forschungsexperiment, und wenn schon sonst nichts dabei herauskam, war die Sache doch wenigstens interessant.
    Ein paar Tage später kam ein knallgelber Bagger angerollt. Holly hatte mir erklärt, aus welcher Richtung er anfahren musste, um die unterirdische Wasserader mit seinem Gewicht nicht abzudrücken. Ich sagte dem Fahrer, wie er den Bagger zu positionieren habe.
    »Sie haben mit Holly gesprochen?«, fragte der Arbeiter.
    »Ja.« Ich grinste verlegen. »Haben Sie schon viele Löcher nach seinen Angaben gegraben?«
    »Ein paar«, sagte er auf die nüchterne Art, die man in Vermont so häufig antrifft. »Holly liegt oft richtig.« Dann fing er mit der gleichen Selbstverständlichkeit an zu graben, mit der man ein Sandwich mit Geflügelsalat bestellen würde. Ich liebe die Menschen in Vermont.
    Wir gruben und gruben. Mit jeder Schaufel Erde wuchs meine Anspannung. Als wir die Drei-Meter-Marke erreicht hatten und der entscheidende Baggerstich unmittelbar bevorstand, war ich so aufgedreht, dass ich mit einem Geysir wie dem Old Faithful im Yellowstone-Nationalpark rechnete.
    Doch der blieb aus. Stattdessen bildete sich allmählich eine winzige Pfütze in der Grube.
    »Da ist Ihr Wasser«, sagte der Arbeiter, offenbar ohne sich der ungeheuren Tragweite dieses einfachen Satzes bewusst zu sein. Mir schienen seine Worte ähnlich bedeutend wie die Rufe der Menschen, die auf dem Bauplatz des Sägewerks von Johann August Sutter in Kalifornien das erste Gold gefunden hatten.
    Aber wo kübelweise Wasser hätte sein sollen, floss nur ein kleines Rinnsal. Ich starrte ungläubig in die Grube, während mein innerer Kritiker höhnte: Das soll die Quelle sein? Darauf haben wir gewartet? Da kann ja gerade mal ein Moskito drin baden.
    Der Baggerfahrer unterbrach mein inneres Drama mit der Frage, wann er wiederkommen solle, um den Brunnen fertigzustellen. Ich wusste nicht genau, was er meinte, deshalb sagte ich, ich wolle zuerst mit Holly sprechen und würde mich dann wieder bei ihm melden. Er stimmte mir zu und schlug vor, das Loch bis dahin noch einmal zur Hälfte mit Erde zu füllen, damit sich kein Wasser darin sammelte. Ich musste mich sehr beherrschen, um mich nicht auszuschütten vor Lachen. Ich dachte, dass es bei den Wassermengen, die in die Grube sickerten, wohl zehn Jahre dauern

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