Mein skandaloeser Viscount
Victoria, dass beide Seiten Opfer bringen müssen. Ich verzichte auf die Chance, mich anderweitig zu binden, wenn ich Sie heirate und anschließend in eine Trennung einwillige. Des Weiteren verzichte ich auf Sie – und das fällt mir unbeschreiblich schwer. Und zu welchem Opfer sind Sie bereit? Geld? Das ist kein Opfer. Das ist eine Schenkung. Ihr Vater hatte Sie zweiundzwanzig Jahre an seiner Seite. Ich fordere nur einen lächerlich kurzen Monat Ihres Lebens.“
Sie bekam große Augen. „Und wenn mein Vater stirbt, während ich mich im Ausland aufhalte? Was dann?“
„Ich würde Ihnen niemals zumuten, von ihm zu weichen, Victoria, wenn ich glaubte, er liege im Sterben. Ich habe Ihren Vater bereits mehrmals besucht und ausführlich mit seinen Ärzten gesprochen, die mir versichern, dass er zwar geistig verwirrt, aber körperlich in guter Verfassung ist und wenigstens noch sechs bis acht Monate zu leben hat. Deshalb bitte ich Sie nur um einen Monat. Wie ich hörte, weiß Ihr Vater nicht einmal mehr, dass er eine Tochter hat, also können Sie getrost ein paar Wochen verreisen, ohne ihm geistigen oder körperlichen Schaden zuzufügen.“
Sie blickte ihn scharf an. „Der Remington, den ich früher kannte, hätte so etwas niemals von mir verlangt.“
„Bedauerlicherweise wurde der Remington, den Sie einst kannten, in Venedig gefoltert und gevierteilt.“ Dafür hatten seine Dienstjahre bei den Casacalendas gesorgt. Ein Gutes hatte sein Leidensweg allerdings bewirkt. Während der frühere Jonathan seine Niederlagen im Namen der Gerechtigkeit klaglos erduldet hatte, war der neue Jonathan nicht mehr bereit, eine Niederlage einzustecken.
Victoria schüttelte bedächtig den Kopf. „Ich kann nur um den Remington trauern, den ich einst liebte.“
Jonathan lächelte spöttisch. „Bevor Sie in allzu tiefe Trauer versinken, möchte ich darauf hinweisen, dass die Victoria, die ich einst liebte, allem Anschein auch nicht mehr existiert. Sie besaß ein hohes Maß an Mitgefühl und Verständnis, das Ihnen völlig fehlt. In dieser Hinsicht haben wir etwas gemeinsam: unsere Trauer.
Victoria warf ihm einen feindseligen Blick zu, wiegte den Kopf von einer Seite zur anderen und furchte in stummer Betrübnis die Stirn.
Jonathan ließ keine Schuldgefühle aufkommen. Nicht, wenn es darum ging, um das zu kämpfen, was er sich so sehnlichst wünschte: ihr gemeinsames Lebensglück. „Sie haben bis zum Ende dieser Fahrt Zeit, Ihre Entscheidung zu treffen. Wie Sie wissen, bin ich angewiesen, morgen um zehn Uhr beim Erzbischof vorzusprechen, um unsere Heiratslizenz einzuholen. Ich habe nicht die Absicht, diesen Antrag zu stellen, wenn wir zu keiner Einigung gekommen sind. Ich warte, bis Sie mir Bescheid geben, wie ich verfahren soll.“
Nach diesen Worten verfielen beide in Schweigen.
Jede verstreichende Minute in der schwankenden Kutsche versetzte Jonathan einen schmerzhaften Stich. Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, aber er hätte sich lieber selbst die Kehle aufgeschlitzt, als einen Fußbreit hinter seinen Forderungen zurückzutreten.
Victoria saß mit geschlossenen Augen und versteinerter Miene ihm gegenüber. Schließlich seufzte sie leise, schlug die Augen auf und antwortete mit gepresster Stimme. „Ich bin einverstanden.“
Er blickte ihr forschend ins Gesicht. „Sie sind einverstanden?“
„Ja, ich bin einverstanden.“ Ernsthaft nickte sie. „Ich ersuche meinen Onkel, ein Dampfschiff zu chartern, um unsere Reise nach Venedig zu beschleunigen. Nach Ablauf des vereinbarten Monats an Ihrer Seite kehre ich nach London zurück ohne jeden weiteren Kontakt zu Ihnen, abgesehen von den schriftlichen Formalitäten bezüglich des Vermögens, von dem Sie die Hälfte erhalten. Sind wir uns einig?“
„Ja.“ Er hob eine Braue. „Und wie vollziehen wir unsere Ehe? Ohne Vollzug ist sie nicht rechtskräftig.“
Sie verdrehte die Augen. „Das habe ich keineswegs vergessen. Gestatten Sie mir die Frage, was geschieht, wenn ich ein Kind empfange? Oder ist das Ihr Plan?“
Er wurde nachdenklich. Wenn es ihm nicht gelang, sie davon zu überzeugen, dass sie ihm gehörte, und sie schwanger wurde? Was dann? „Ich werde unser Kind in Venedig großziehen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass ich kein Kind empfange. Ich will auf keinen Fall, dass mein Kind ohne Mutter aufwächst. Das wäre zu grausam.“
Sie war also nicht so herzlos, wie sie sich den Anschein gab. Irgendwo
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