Mein skandaloeser Viscount
hinter sie und schlang die Arme um sie. „Sie wird begeistert von dir sein.“
Victoria wurde auf einmal von der Sorge erfasst, er wolle sie zur Schau stellen.
„Jonathan!“ , ertönte eine helle Stimme von oben. „Wieso bist du schon zurück? Ich dachte, du wolltest …“
Oben auf der Treppe erschien eine vollbusige Frau. Schulterlanges kastanienbraunes Haar umrahmte in schimmernden Locken ein hübsches rundes Gesicht wie das einer Porzellanpuppe. Cornelia band die rote Schärpe ihres Morgenrocks aus goldfarbener Seide und betrachtete fragend die Besucher.
„Sag bitte nichts“, flüsterte Remington an Victorias Ohr und festigte den Griff um ihre Mitte.
Victoria schmiegte den Rücken an seine muskulöse Brust und legte die Hände mit sanftem Druck an seine Unterarme, empfand Rührung angesichts seiner offenkundigen Aufregung bei dem Gedanken, sie seiner Schwester vorzustellen.
Cornelia stieg die Treppe hinab, ihre perlenbesetzten Seidenpumps lugten bei jedem Schritt unter dem Saum ihres Morgenmantels hervor. Vor dem Paar blieb sie mit großen Augen stehen. „Ist das etwa …?“
Remington wiegte Victoria sanft hin und her. „Jaaa“, antwortete er gedehnt. „Das ist Victoria. Die frischgebackene Lady Remington. Wir haben in London geheiratet.“
Cornelia stieß einen spitzen Schrei aus, klatschte in die Hände und hüpfte begeistert auf und ab, ihre Lockenfülle hüpfte mit ihr. „Oh, wie wunderbar! Einfach himmlisch! Oh, Jonathan. Wieso hast du nicht geschrieben? Du hättest uns doch benachrichtigen …“ Erschrocken hielt sie mitten im Satz inne. „Du meine Güte. Ich bin nicht mal angezogen, um euch zu begrüßen.“
Remington löste sich von Victoria und zog sie an der Hand zum Eingang zurück. „Gut, dann gehen wir wieder. Komm Victoria, wir suchen uns ein Hotel.“
Victoria ließ sich auf sein Spielchen ein und lief kichernd hinter ihm her. Mit einem Mal war er wieder der Jonathan, den sie früher gekannt hatte.
„Jonathan!“ , rief Cornelia erzürnt und stürzte den beiden hinterher. „Das ist nicht komisch. Ich lasse nicht zu, dass du mit deiner Braut in einem Hotel absteigst. Ihr wohnt in unserem Haus. Oddio! Ihr hättet zu keinem günstigeren Zeitpunkt kommen können. Nächste Woche hat Giovanni Geburtstag, und obwohl das Scheusal sich bis zum Schluss geweigert hat, gebe ich ihm zu Ehren einen Maskenball. Wir müssen schleunigst passende Kostüme für euch besorgen und einen mascarero aufsuchen. Aber zuvor …“
Cornelia eilte mit ausgebreiteten Armen und einem strahlenden Lächeln auf Victoria zu. „Schluss mit meinem Geplapper. Ich will dich an mein Herz drücken, liebste Schwägerin, und hoffe, dass du mich gern hast. Das habe ich weiß Gott verdient, nachdem ich mir jahrelang Jonathans Klagelieder anhören musste.“
Victoria ging ihr mit einem Gefühl entgegen, als würde sie Cornelia seit Langem kennen. Sie drückte die üppigen, nach Lilien duftenden Rundungen ihrer Schwägerin innig an sich und flüsterte an ihrer Schulter: „Dein Bruder hat mir viel von dir erzählt.“
„Soso, hat er das?“ Cornelia machte einen Schritt zurück, musterte aufmerksam Victorias Gesicht und strich ihr sanft über das Haar. „Sie ist wunderschön, Jonathan. Mannaggia! Ich fürchte, sie wird allen Venezianern den Kopf verdrehen.“
Victoria lachte verlegen.
„Komm, meine Liebe“, lud Cornelia sie ein. „Während wir auf meinen Göttergatten warten, zeige ich euch meinen renovierten Ballsaal, den ich demnächst einweihen werde. Giovanni hält ihn zwar für zu bombastisch, aber der Gute hat nun mal keinen Geschmack.“ Sie nahm Victoria bei der Hand und schritt mit ihr an Remington vorbei durch offene Flügeltüren zur Rechten und wies mit einer ausladenden Geste in die Weite des Saales. „Was hältst du davon? Ist er exquisit genug?“
Victoria sah sich staunend in dem langgezogenen Raum um, dessen hohe Bogenfenster den Blick auf den Kanal freigaben und an der entfernten Stirnseite auf einen begrünten Innenhof führten. Die Einrichtung bestand aus einer langen Reihe Polstersessel vor hellgrün tapezierten Wänden, elegant geschwungenen Konsoltischen, auf denen französische Pendulen und antike chinesische Prunkvasen standen. Dutzende goldgerahmte Spiegel, flankiert von feuervergoldeten mehrarmigen Wandleuchtern, reflektierten den Lichteinfall der Fenster und tauchten die Pracht in gleißende Helligkeit.
„Atemberaubend“, hauchte Victoria verzückt. „Ein überwältigender
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