Mein spanisches Dorf
ein Teufel. Mit ihm werde ich niemals mehr ein Wort sprechen. Alexander hat Susi aus Wien einen Brief geschrieben. Ich habe sie nicht gefragt, was er ihr schreibt, weil es sicher nicht über mich ist, und wenn, dann kann es nichts Gutes sein. Susi hat alles noch vor sich. Wenn sie sich beklagt über ihre großen, häßlichen Hände, dann möchte ich ihr am liebsten meine zarten kleinen Hände auf den Tisch legen und sagen: Hack sie mir ab, sie haben mich ins Verderben gestürzt, weil sie für S. R. zu schwach waren.
Jetzt hat Mutter mit dem Glöckchen geläutet.
Ich werde Dich, mein Tagebuch, erst wieder benützen, wenn sich das Unglaubliche vielleicht doch noch ereignet. Heute nacht in der Christmette werde ich zu Gott beten. Wenn unsere Pfarrer nicht so blöd wären, würde ich es ja beichten. Aber so hat man niemanden. Meine Eltern dürfen es jedenfalls nie erfahren. Hoffentlich kriege ich bald meine Periode.
Die Mutter läutet noch immer. Ich muß jetzt zur Bescherung.
Russenfriedhof
Der Wind bläst dort oben, von wo du herunterschauen kannst auf die Häuser und die Türme. Rotbuchen, Birken, Apfelbaum und eine Pappel. Rund um die Hecke Dotterblumen, und Himmelschlüssel schießen aus der saftigen Erde. Dort oben fühlst du dich immer ein bißchen einsam, und außerhalb, und getröstet. Als Kind hast du Verstecken gespielt hinter den Steinen. Und geschaukelt hast du dich auf der Eisenkette, unterm Denkmal. Die vielen Wörter, die hineingemeißelt sind, kannst du nicht lesen. Russische Buchstaben. Und auf jedem Stein ein roter Stern. Die haben keine Kreuze! Und wieder Wörter, die man nicht lesen kann. Auf unserem guten Mühlviertler Granit. Alles weiß im Winter. Im Frühling das helle Grün. Im Sommer kannst du das Wolgalied hören, bis in den Herbst und solange sie den Russenfriedhof nicht wegreißen:
1888-1945
1921-1945
1917-1945
1921-1945
1915-1945
1907-1945
1919-1945
1890-1945
1900-1945
1920-1946
1907-1945
1906-1945
1919-1945
1922-1946
1914-1945
1922-1947
1922-1944
1926-1944
1922-1945
1924-1946
1919-1946
1915-1945
usw.
Der Prozeß
Durch den Prozeß hat sich im Leben des Franz K. alles verändert. Er hat damals noch sein kleines Auto gehabt, und das hat er zum Kurz in Reparatur gegeben. Wie er es nach einer Woche abholt, wundert er sich über die Rechnung. Sie haben ihm einen neuen Kühler dazuverrechnet, obwohl nur der Auspuff beschädigt gewesen war. Und der Kellerbauer Franzi ist zum Kurz Otto in die Motorrad- und Fahrradhandlung Kurz gegangen, wegen Aufklärung. Der Kurz Otto hat mit der Reparaturwerkstätte Kurz telefoniert, die neben der Tankstelle Kurz und dem Nachtlokal Kurz liegt, draußen am Friedhofsberg, und dort ist mitgeteilt worden, daß nicht nur der Auspuff vom Kellerbauer Franzi seinem Spuckerl reparaturbedürftig gewesen ist, sondern der Kühler auch, weil er zerrissen war. Der Kellerbauer Franzi hat gesagt, das kann nicht sein. Daraufhin hat der Kurz Otto noch einmal hinaustelefoniert und genauer gefragt und es hat sich wieder herausgestellt, der Auspuff war kaputt und der Kühler desgleichen. Aber wieso, hat der Kellerbauer Franzi gefragt, und der Kurz Otto sagt, ja, das wissen die in der Reparatur auch nicht. Dann müssen sie das Auto über die Nacht in der Kälte stehengelassen haben, sagt der Franzi. Geh, das glaubst du doch selber nicht, sagt der Otto. Der Franzi hat aber einen Zeugen gefunden, der ausgesagt hat, er hat das Auto in der Nacht vor der Reparaturwerkstätte gesehen. Geh, das glaubst du doch selber nicht, hat der Kurz Otto gesagt. Und wie die Rechnung wieder gekommen ist in gleicher Höhe, hat der Franz den Otto angerufen und gesagt, er zahlt nicht. Da hat ihn der Kurz Otto brieflich und in aller alten Schulfreundschaft gemahnt. Der Franzi hat aber zurückgeschrieben, er läßt es sich trotzdem nicht bieten. Daraufhin hat der Otto gesagt: Es wird Schwierigkeiten geben. Und wenn du Schwierigkeiten haben willst, hat er gesagt, dann kannst du ja klagen. Der Franzi hat geklagt und den Prozeß verloren. Jetzt hat er wieder die Rechnung gekriegt und noch eine für die Prozeßkosten. Aber er ist in die zweite Instanz gegangen, und zu seinem Rechtsanwalt hat er gesagt, er hat das Gefühl, er muß eigentlich gegen zwei Anwälte kämpfen. Geh, das glauben Sie doch selber nicht, hat der Rechtsanwalt gesagt. Und dann hat er den zweiten Prozeß wieder verloren. Jetzt war er aber nur ein Angestellter in der Fleischhauerei von seinem
Weitere Kostenlose Bücher