Mein spanisches Dorf
Schwager, und über der Fleischhauerei hat er ein kleines Zimmer bewohnt, und so viel Geld hätte er nie gehabt, daß er die Gerichtskosten und den Anwalt und den Auspuff und den Kühler bezahlen hätte können. Also hat er sich um einen neuen Beruf umschauen müssen. Zum Glück hat die Hoamatland-Versicherung gerade Vertreter fürs Mühlviertel angeworben, und der Kellerbauer Franzi springt ins kalte Wasser und versichert alle Bauern aus der ganzen Umgebung. Und der Cermak Sophie ihren Hund, und den Engländer, der die Radfahrer angesprungen ist auf jedem Spaziergang, und alle Leute, die es gut mit ihm gemeint haben, haben sich beim Kellerbauer versichern lassen in vielfacher Hinsicht. Da ist er auf monatlich über zwanzigtausend Schilling gekommen, weil er in seiner Not wirklich fast das gesamte untere Mühlviertel versichert hat, und er hat sich ein größeres Auto gekauft und alle Schulden gezahlt, und aus dem kleinen Zimmer über dem Schwager seinem Betrieb ist er ausgezogen in eine Eigentumswohnung draußen in der Linzervorstadt, und auf der Eingangstür steht: Franz J. Kellerbauer, Versicherungsagent. Und das alles verdankt er dem Kurz Otto, obwohl er ihn seit dem zerrissenen Kühler nicht mehr grüßt.
Friedhofsberg
Früher war dort nur Gras auf der einen Seite, und auf der anderen der Friedhof mit den schönen Pappeln. Weiter drüben die Holzbaracken, und hinten die ersten armseligen Häuser von der neuen Siedlung, wie noch nicht viel Geld da war, aber nach Fünfundvierzig schon fleißig gebaut worden ist.
Die Häuser, die jetzt auf der einen Seite vom Friedhofsberg stehen, sind viel größer, und man sieht, daß heute mehr Geld da ist. Besonders schön ist das Haus vom Hamberger Otto und von der Rosa. Sie haben es an nichts fehlen lassen. Die Rosa hat außerdem jetzt den Führerschein und fährt mit dem Auto zum Einkaufen in die Stadt.
Der Otto und die Rosa haben das feierliche Begräbnis von der Elfi bezahlt. Manche Leute sagen, aus schlechtem Gewissen. Aber die meisten stimmen überein, daß sie eben doch gute Menschen sind mit einem weichen Herzen. Immerhin haben sie dem Karli das Wirtshaus verpachtet, und so wird für ihn das Leben wieder sonniger werden, und irgendwann wird er auch wieder heiraten, wenn er eine findet, die ins Geschäft paßt und zu den Kindern.
Es muß eine sein, die eine feste Hand hat bei der Erziehung, weil sich die Elfi ja doch nie richtig gekümmert hat. Der Otto und die Rosa haben sogar angeboten, daß sie dem Karli seine Kinder auf den Friedhofsberg holen, weil es jetzt schon zwei Tage her ist seit dem Begräbnis und der Karli noch immer nicht aus dem Schlafzimmer geht.
Der Schwabl Johann und die Poldi sorgen sich, aber gleichzeitig wissen sie, daß es nicht ewig so sein wird. Der Karli denkt jetzt viel nach, und es ist auch Zeit, daß er einmal nachdenkt.
Gerecht war es nicht von ihm, daß er dem Johann so wenig Entgegenkommen gezeigt hat in den letzten Jahren, und Dankbarkeit, davon war nie eine Rede, daß der Karli auch nur für irgend etwas dankbar gewesen wäre. Das hat schon seine Mutter immer gesagt, daß der Karli keinen Sinn dafür hat, wenn man ihm etwas Gutes meint, und daß er so ist, wie er ist, weil es ihm wahrscheinlich nicht recht war, daß sich die Mutter mit dem Schwabl Johann eingelassen hat, bevor es sicher war, ob dem Karli sein Vater aus Stalingrad zurückkommt.
Wer ist denn zurückgekommen aus Stalingrad? Der Hambergerin ihrer nicht! Und so, wie ein Mann eine Frau braucht, hat die Hambergerin einen Mann gebraucht, und der Schwabl Johann ist damals nach Fünfundvierzig in die Bäckerei gekommen ohne irgendeine nähere Absicht oder vielleicht gar mit Hintergedanken. Er war jung und tüchtig, und so einen hat die Bäckerin brauchen können, und deswegen hat sie sich dann auch eingelassen mit ihm, und sie haben lange und glücklich miteinander gelebt. Der Karli hätte aufwachsen können wie mit Mutter und Vater. Aber Vater hat er nicht sagen wollen zum Johann, und der Johann, der ein gutmütiger Mensch ist, hat sich damit abgefunden, daß ihn der Karli nur Johann nennt oder manchmal sogar Herr Schwabl. Und wie der Karli aus der Hauptschule war, hat sich der Johann selbst dafür eingesetzt, daß der Karli bei ihm in die Bäckerlehre geht, damit er einmal das ganze Geschäft übernimmt. Da hat nie ein Zweifel bestanden, daß der Karli einmal alles kriegt, wie es ihm von Geburt auf zusteht. Daß sich die Umstände dann geändert haben, seit der
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