Mein spanisches Dorf
Und nun, meine Gnädigste, komme ich mit einem sehr großen Anliegen zu Ihnen.
Wenn Sie sich noch an den Gröblhofer Franz erinnern und noch fühlen, wie sehr Sie ihn einst geliebt haben, dann gedenken Sie jetzt seiner und schicken Sie mir ein paar Ärztemuster Schlafpulver.
Es grüßt Sie ergebenst und mit dem Ausdruck meiner völligen Hochachtung Ihr
Franz Gröblhofer
Eisenwaren en gros en detail
Graz, Jakominiplatz
PS. Leide auch an Rheumatismus und Blasenschwäche. Vielleicht hätte der Herr Gemahl, den ich leider persönlich nicht die Ehre habe zu kennen, auch da ein Pulverl.
Gröblhofer
Ein kurzer Hut
Wie der Herr Dobschitz gestorben ist, ist sein Hutgeschäft in der Linzergasse aufgelöst worden. Außerdem war er unbeliebt. Wie die Mutti einmal einen Hut bei ihm probiert hat, hat sie nicht gewußt, was sie machen soll. Der Hut hat ihr nicht gefallen, aber der Herr Dobschitz mit seinem Kropf ist daneben gestanden und hat scharf geschaut. Also hat die Mutti gesagt, er soll ihr den Hut mitgeben, sie nimmt ihn. Dann hat sie mich mit dem Hut zum Dobschitz geschickt, und ich habe gesagt: Leider, meine Mutter läßt ausrichten, der Hut paßt nicht. Wie die Mutti dann wieder einen Hut gebraucht hat, ist sie zum Dobschitz gegangen und hat wieder alle Hüte probiert. Sie hat sich nicht entschließen können, weil es beim Dobschitz wirklich keine Auswahl gegeben hat. Zum Weinzierl hat sie aber nicht gehen wollen, weil der Hund vom Weinzierl mit unserem Burschi verfeindet ist. Und wie sie zum Herrn Dobschitz gesagt hat: Ich nehme den Hut mit nach Hause und überlege es mir noch, hat der Herr Dobschitz gesagt: Nix do, der Huat bleibt do! Seither ist sie nie mehr wieder zum Dobschitz gegangen, und inzwischen hat der Herr Weinzierl das Hutmonopol.
Und das war blöd, weil die Mutti schon wieder zu einem Begräbnis gehen mußte, vorigen Herbst. Im Herbst sterben die meisten Leute, und im Herbst kommt man bei einem Begräbnis über einen Hut nicht hinweg, sagt der Papa. Er selbst kann nicht auf die Begräbnisse von seinen Patienten gehen, und die Mutti muß ihn repräsentieren.
Wie die Mutti so vor dem Geschäft HUT-MODEN WEINZIERL – IMMER GUT GEKLEIDET, steht, denkt sie an den Wolfshund vom Weinzierl, und daß sie sich eigentlich auch in Linz einen Hut kaufen kann. Sie geht nach Hause und ruft den Wimberger an, ob er sie nach Linz mitnimmt. Der Wimberger sagt, wenn es ihr nichts ausmacht, daß die Frau Pötschl mitfährt, dann nimmt er sie gerne mit. Jetzt ist aber die Mutti, wie jeder in der Stadt weiß, mit dem Pudel von der Frau Pötschl verfeindet.
Die Mutti hat sich gewünscht, daß es beim Begräbnis regnet, dann kann sie ein Plastiktuch aufsetzen, und unter dem Regenschirm sieht es keiner. Aber es war ein sehr schöner Herbst, und die Mutti hat gespürt, wie sie wieder Migräne bekommt. Der Papa läßt sich aber auf so etwas nicht ein, besonders wenn einer der treuesten Patienten gestorben ist, weil zu befürchten ist, daß man seine ganze Verwandtschaft verliert, wenn die Mutti sich nicht beim Begräbnis zeigt. Der Roggenschaub ist an Lungenentzündung gestorben, und die Mutti hat sich gedacht, daß es ein Pech ist, weil der Roggenschaub so oft eine Lungenentzündung gehabt hat, und immer wieder hat ihn der Papa gerettet, so daß es der Frau Roggenschaub schon fast peinlich war wegen der ewigen Belästigungen. Wenn der Papa den Herrn Roggenschaub im letzten Winter nicht mehr gerettet hätte, wäre die Mutti mit der Pelzhaube gut dran gewesen. Aber der Papa hat natürlich auch nicht daran gedacht, daß es im Herbst immer Hutprobleme gibt. Im stillen hat sich die Mutti gewünscht, daß sich der Papa das für die Zukunft wenigstens merkt, und sie hat sich wieder zum Gang vor das Geschäft HUTMODEN WEINZIERL – IMMER GUT GEKLEIDET aufgerafft.
Warum wohnen wir nicht in Linz, hat sie sich wie schon so oft im stillen gefragt. Und sie hat sich halt überhaupt nicht entschließen können, daß sie jetzt demütig zum Weinzierl hineingeht und ihn womöglich noch ausdrücklich bittet, daß er ihr seine Hüte vorführt. Er konnte sich nämlich auch weigern, weil sein Geschäft seit dem Tod vom Herrn Dobschitz floriert. Da kommt es ihm auf einen Hut mehr oder weniger, den er verkauft, auch nicht mehr an. Und wie sie so überlegt, schlägt die Kirchenuhr viermal. Sie hat sich gewundert, wo der Herr Weinzierl so lange bleibt. Um diese Zeit ist er doch mit seinem Wolfshund unterwegs zur Promenade, hat sie
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