Mein spanisches Dorf
gedacht, und die Frau Weinzierl übernimmt inzwischen die Geschäftsführung. Dann ist der Mutti eingefallen, daß die Frau Weinzierl auf Gesellschaftsreise nach Paris war, und der Herr Weinzierl kann also sein Geschäft nicht verlassen, und der arme Hund muß sein Wasser zurückhalten. Die Mutti hat sich gedacht, also wenn der Weinzierl noch ein einziges Mal etwas gegen den Burschi oder gegen unsere ganze Familie sagt, dann zeige ich ihn an! Auf einmal geht die Tür unter dem eisernen Zylinder auf, der Herr Weinzierl und der Wolfshund kommen heraus, und der Herr Weinzierl grüßt natürlich nicht, obwohl er die Mutti gesehen hat. Er zerrt immer so fest an der Leine von dem Hund, daß der arme Hund fast gewürgt wird. Herr Weinzierl, hat die Mutti gefragt, warum halten Sie eigentlich dieses arme Tier immer so grob? Das tut ihm weh! Stecken Sie Ihnen Ihnere Ratschläge aufn Hut, hat der Herr Weinzierl gebrummt. Das wäre ein idealer Anknüpfungspunkt gewesen. Auf den Hut? Ja, auf was für einen denn? Vielleicht zeigen Sie mir einmal ein paar von Ihren Hüten?
Aber zu spät. Der Herr Weinzierl ist schon die Pfarrgasse hinunter gegangen. Die Mutti wäre am liebsten in das Geschäft eingebrochen. Aber dann hat sie die Faltlhansl angerufen.
Die Faltlhansl ist gleich mit einer Schachtel voller Perücken gekommen. Sie hat Perücken in allen Farben für verschiedene Anlässe. Eine graue für Begräbnisse, eine schwarze zum nach Linz Fahren, eine grüne für den Jägerball, eine silberne für Hochzeiten und Schulfeiern, und eine rote, aber da sagt sie nicht, für was.
Die Mutti hat die graue gewählt, aber nur aus Höflichkeit. Gleich wie die Faltlhansl fort war, hat sie mich mit der Perücke in die Putzerei geschickt, weil Flöhe drin waren. Sie ist immer verzweifelter geworden. Um fünf hat sie mich kurz entschlossen zum Weinzierl kommandiert, und der hat mir lauter steife Hüte in Hutschachteln gepackt. Die Mutti hat den teuersten genommen, damit sich der Herr Weinzierl gedemütigt fühlt, und sie ist aufs Begräbnis vom Herrn Roggenschaub gegangen, was sehr schön war, sie hat gesagt, es hat ihr nicht leid getan, und noch am selben Abend haben wir im Schlafzimmer im Bett vom Papa den Hut vom Weinzierl gefunden, ganz zerbissen und voller Speichel, und der Burschi hat sich schuldbewußt unterm Klavier versteckt. Es geht in einer Hundeseele mehr vor, als ein gewöhnlicher Mensch wahrhaben wollte, hat die Mutti gesagt, und wir haben alle gerufen: Brav, Burschi, brav! Dann ist der Papa gekommen, und die Mutti hat sich schnell auf den Hut gesetzt, und wie er fort war, haben wir den Hut kleinweise vernichtet, jedes Stück in einen anderen Papierkorb, bis man nichts mehr gemerkt hat.
Nestwärme
Wenn man in Linz leben würde, wäre vieles anders. In so einer Kleinstadt ist man ja kein freier Mensch! Obwohl du in Linz natürlich auch nicht anonym bist. Aber es ist doch ein Unterschied! Schon einmal die größere Auswahl, wenn du etwas kaufst. Wenn ich in Linz in ein Geschäft geh, muß ich nicht unbedingt alles nehmen. Mach das einmal bei uns! Ich sag oft zum Leopold: Leopold, sag ich, wenn ich zum Deschka geh, komm ich mit einer Krawatte heraus, ob sie dir jetzt gefällt oder nicht. Die Deschka sind unsere letzten Privatpatienten. Also muß ich, wenn mir die Deschka etwas andreht, gute Miene machen. Ich sag oft zum Poldi: Bubi, sag ich, wenn du mit dem Studium fertig bist, bleib in Wien. Oder geh nach Graz. Oder meinetwegen nach Linz. Aber ja nicht in eine Kleinstadt! Auch wenn der Vati meint, was hier fehlt, ist ein Augenarzt. Eine Augenpraxis wäre eine Goldgrube. Nein, Bubi, sag ich, lieber weniger verdienen am Anfang, und auf keinen Fall die Praxis daheim übernehmen. Sicher, der Vati leidet. Aber wenn er einmal in Pension geht, kann er die Ordination ja verkaufen. Irgendein Weg wird sich schon finden. Und der Vati sagt ja selbst: Wenn ich gewußt hätte! Nur, nach dem Krieg hat man es sich nicht aussuchen können. Und unser Fehler war, daß wir das Haus gebaut haben. Ein goldener Käfig, wie der Leopold so treffend sagt. Aber auch ein Haus läßt sich verkaufen! Alles läßt sich regeln, wenn man fortziehen will. Und der Leopold redet ja manchmal vom Fortgehen und alles liegenlassen und neu anfangen. Vielleicht nach Tirol, sagt er. Tirol ist ein schönes Bundesland.
Wenn nur die Tiroler nicht wären, sagt er. Leopold, man kann sich an jeden Dialekt gewöhnen, sag ich, und zum Schifahren hast du dort jede
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