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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rose
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hinbekommen.«
    Nacheinander ging ich zu jedem einzelnen von ihnen und streichelte ihnen die Köpfe, während sie sich über ihre Bilder beugten. Beim Gefühl ihres Haars unter meinen Fingern wurde mir innerlich ganz warm.
    Nachdem ich ihnen eine Weile zugesehen hatte, begab ich mich zu Karen in die hinterste Ecke des Zimmers und ließ mich neben sie in einen Sitzsack plumpsen.
    »Es ist erstaunlich, nicht? Teddy ist erst vier, und er hat eindeutig Talent.«
    »Mozart war mit vier schon ein musikalisches Genie«, versetzte Karen. »Das Alter ist unerheblich, glaube ich. Wenn du’s hast, dann hast du’s.«
    Ich musste daran denken, dass Laurens Geliebter mir am vorangegangenen Abend gesagt hatte, sie wolle Teddy in ein Pflegeheim stecken, und mein Magen krampfte sich zusammen.
    »Weißt du eigentlich, in welche Schule Grant und ich die Kinder schicken wollten? Die Mädels gehen auf eine private Mädchenschule, oder? Grant hat mir gezeigt, wo sie liegt, damit ich sie morgen hinfahren kann.«
    »Ja, bei ihnen haben die Herbstferien schon eine Woche vor den örtlichen Schulen begonnen«, meinte Karen und leckte sich Croissantbrösel von den Lippen. »Bin mir nicht sicher, worauf sie, äh, ihr euch für die Jungs schließlich geeinigt habt. Augenblicklich gehen die Zwillinge auf eine kleine unabhängige Schule, an die ein Kindergarten angegliedert ist. Ich bin davon ausgegangen, dass sie die Grundschulzeit über dort bleiben. Aber darüber musst du mit Grant sprechen.«
    »Er redet, glaube ich, nicht mit mir.«
    »Oh.« Mit nachdenklichem Blick nippte sie an ihrem Kaffee. »Ihr dürftet euch ja wohl zwangsläufig nach etwas Passendem für die Jungs umgesehen haben, wenn sie dort nicht bleiben. Normalerweise bist du ein Organisationstalent. Warum schaust du nicht mal deinen Schreibtisch durch, da bewahrst du derlei Informationen nämlich gewöhnlich auf.«
    »Ich glaube, mir war bislang nicht klar, wie begabt Teddy ist«, meinte ich und folgte Karens Vorgabe, ich hätte bloß das Gedächtnis verloren, nur zu gern. »Ich finde, Grant und ich sollten nach einer Schule mit Schwerpunkt Kunst suchen.«
    Sie nickte. »Das finde ich auch. Das Bild von dir ist unglaublich gut getroffen.«
    Sie musterte mein Gesicht. »Die Augen hat er allerdings in einer ungewöhnlichen Farbe gemalt, einer interessanten Mischung aus Blau über Grün.«
    Obwohl ich wusste, dass sie die Wahrheit kannte, errötete ich. Es war schwierig, die Lüge aufrechtzuerhalten, wo Karen klar war, dass alles, was ich sagte, eine Erfindung war. Ich kam mir eher wie eine unerfahrene Schauspielerin in einem Stück vor, die verzweifelt improvisierte, während Karen meinen eigentlichen Text vor sich liegen hatte.
    »Wann fahren wir?«, fragte Sophie plötzlich und blickte zu uns nach hinten.
    »Fahren?«
    »Sie meint, wann fahren wir zur Kirche«, erklärte Karen. »Erinnerst du dich nicht, ich habe dir doch erzählt, dass ihr jeden Sonntag in den Zehn-Uhr-Gottesdienst geht.«
    Auf Laurens teurer Armbanduhr sah ich, dass es schon nach neun war. »Keine Ahnung …, um wie viel Uhr fahren wir denn sonst immer?«
    Grant erschien in der Spielzimmertür. »Wir fahren um halb zehn. Und zwar Punkt halb zehn. Sieh also zu, dass die Kinder dann fertig sind, Lauren.«
    Seine Stimme war kühl. Anscheinend hatten ihn die Ereignisse des Vorabends sehr mitgenommen. Ich wandte mich zu ihm um. »Gibt es noch etwas, das ich wissen sollte?«
    »Vor unserem Aufbruch sollte der Sonntagsbraten im Herd sein. Im Kühlschrank ist ein Stück Schweinefleisch. Das habe ich gestern Abend aus der Kühltruhe genommen. Ich hatte so das Gefühl, du könntest dich vielleicht nicht daran erinnern, dass es bei uns sonntags immer einen Braten gibt.«
    »Zumindest glaubst du mir endlich.«
    »Eine andere Wahl habe ich ja wohl kaum, oder?«
    »Eigentlich nicht«, erwiderte ich und wandte ihm den Rücken zu. Er hatte recht, nachdem er am vergangenen Abend meine Unterhaltung mit meinem angeblichen Geliebten belauscht hatte, blieb ihm wirklich keine andere Wahl.
    »Ich bereite schon mal das Essen vor, wenn ihr weg seid«, flüsterte Karen, als Grant in die Diele verschwunden war. »Und du gehst und machst dich für die Kirche fertig. Die blauen Flecken an deinen Oberarmen hältst du besser die ganze Zeit bedeckt, ansonsten haben die alten Tantchen auf Wochen hinaus genügend Stoff zum Tratschen.«
    Ich hatte im Spielzimmer meine Strickjacke ausgezogen und blickte nun auf meine Oberarme, die Grant

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