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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rose
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vor ihrem Tod hatte treffen müssen, es stand mir nicht zu, über sie zu urteilen.
    »Hallo, Lauren! Wir haben gehört, Sie seien krank gewesen. Geht es Ihnen denn wieder besser?«
    Ich wandte mich zu einer Frau unbestimmbaren Alters um. Ihr dunkelblauer Rock sah aus, als wäre er etliche Größen eingegangen, denn er spannte sich um ihre füllige Gestalt.
    »Ja, danke. Schon viel besser.«
    Ich hielt im Saal nach Grant Ausschau, konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Auf dem Weg zur Kirche hatte er mir versprochen, er würde mir erklären, wer jeder war, doch war ihm anzumerken gewesen, dass er von der Begegnung mit Laurens Lover noch immer schlecht gelaunt war. Sobald der Gottesdienst vorbei war, war er in der Menge verschwunden und hatte mich meinem Schicksal überlassen.
    »Mir ist aufgefallen, dass Sie Ihren Kindern heute erlaubt haben, Kekse zu essen.«
    Ich blickte die Frau erstaunt an. Sie musste jede meiner Bewegungen verfolgt haben.
    »Und«, fuhr sie in kritischem Ton fort, »von Nicole habe ich erfahren, dass Sie den Kindern erlaubt haben, sich Haustiere anzuschaffen.«
    »Ja«, stammelte ich und überlegte, wer diese rechthaberische Frau wohl sein mochte. »Ein Kaninchen und ein Meerschweinchen. Die Mädchen lieben sie innig.«
    Die Frau senkte ihre Stimme um eine Oktave. »Sie mögen sie innig lieben, Lauren, aber Sie müssen aufpassen. Der Teufel arbeitet auf krummen Wegen. Ich habe gehört, Nicole hat ihr Tier nach einer Harry-Potter-Figur Ginny genannt?«
    »Richtig.«
    »Ich dachte, wir hätten über diese Bücher gesprochen und entschieden, dass sie gefährlich sind. Hexerei und Zauberei sind laut Bibel streng verboten. Es sind Werkzeuge des Teufels und sollten als solche die unschuldigen Köpfe von Kindern nicht verderben dürfen!«
    »Aber das sind doch harmlose Geschichten«, protestierte ich. »Die haben schon Tausende von Kindern gelesen.«
    »Genau!«, versetzte sie. »Der Teufel hat sich in den Köpfen Tausender Unschuldiger eingenistet, sie der Sünde preisgegeben.«
    Ich wandte mich von ihr ab und hoffte, die Unterhaltung damit beenden zu können, doch sie umfasste schraubstockartig meinen Arm, so dass meine Kaffeetasse auf der Untertasse klirrte.
    »Kommen Sie wieder in unsere Gebetsgruppe, Lauren. Ich sehe doch, dass Sie der Seelenrettung dringend bedürfen!«
    »Tut mir leid, aber mir fehlt einfach die Zeit.«
    »Als Sie vor vier Jahren Hilfe brauchten, da hatten Sie jede Menge Zeit!«, zischte sie. »Gott ist nicht nur in Krisenzeiten da, wissen Sie. Sie sollten ihm jeden Tag im Leben der Zwillinge für Seine Führung und Sein Eingreifen dankbar sein.«
    Ich sah sie mit großen Augen an, schockiert, und erfasste erst allmählich, worauf sie anspielen musste. Das war es also, was Grant gemeint hatte, als er sagte, seine Idee seien die Jungen nicht gewesen, dachte ich entsetzt. Karen hatte recht gehabt, als sie sagte, Grant und Lauren hätten beschlossen, die Schwangerschaft zu beenden, doch jemand aus der Kirche – diese Frau – sei eingeschritten. Vielleicht hatte Lauren nicht sonderlich dazu überredet werden müssen, die Babys zu behalten. Allein der Gedanke an einen Abbruch war ja schon nicht ohne, und falls diese Frau ihr mit Gottes Unmut gedroht hatte, konnte Lauren leicht umgestimmt worden sein.
    Sosehr ich die Zwillinge inzwischen liebgewonnen hatte und von Herzen froh über Laurens Entscheidung war, sie zu behalten, verspürte ich gegenüber dieser aufdringlichen Unbekannten, die zu denken schien, sie hätte das Recht, anderen ihre Ideale aufzuzwingen, doch eine plötzliche Wut. Sie hatte Lauren zu einem Zeitpunkt etwas aufgedrängt, an dem sie am verletzlichsten war, und die Familie hatte darunter zu leiden gehabt.
    Man musste mir meinen Zorn angesehen haben, denn die Frau zog hastig ihre Hand weg, als sei ihr meine Nähe mit einem Mal zuwider. Dabei streifte sie meine Tasse, die zu Boden fiel und zerschellte.
    Augenblicklich senkte sich Stille über den Saal, und ich spürte, dass sich aller Augen auf uns richteten.
    »Und was ist mit ›Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet‹?«, sagte ich in die Stille hinein. »Sie haben nichts über diese Familie gewusst, und womit sie zurechtkommen konnte und womit nicht, und dennoch haben Sie sie mit Ihren Ansichten unter Druck gesetzt, nicht wahr?«
    Die Frau riss die Augen auf. Mein Ausbruch schien sie zu entsetzen, und sie wich von mir, als wäre ich Satan persönlich. »Sie? Auf wen beziehen Sie sich da,

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