Mein Tag ist deine Nacht
mit dem Nudelholz in der Hand zu mir und grinste.
»Ich höre, du machst schon wieder Schwierigkeiten?«
»Woher weißt du denn schon davon?«
»Die Pfarrerin hat angerufen. Hat gesagt, sie komme heute Nachmittag auf einen Plausch vorbei.«
Karen knöpfte sich erneut die Pastete vor. »Sie sagte, du hättest dich mit einem Gemeindemitglied angelegt.«
»So könnte man’s ausdrücken«, seufzte ich, band eine Schürze um Laurens Designerklamotten und nahm einen Schäler und ein Messer aus der Besteckschublade heraus. »Ich habe mich zum absoluten Gespött gemacht.«
»Grant scheint das Ganze sehr lustig zu finden. Als er hereinkam, gluckste er in sich hinein. Wenn man bedenkt, in welcher Laune er das Haus verließ, ist das eindeutig eine Verbesserung!«
Lächelnd zog ich eine Tüte Äpfel zu mir her. »Ich dachte, er würde wirklich sauer auf mich sein, ich meine, immerhin geht die Familie seit Jahren in die Kirche, und ich bin nur einmal hingegangen, und sieh an, was passiert!«
Karen schaltete den Wasserkessel ein. »Ich mache uns beiden etwas zu trinken, und dann kannst du mir alles erzählen. Was hättest du lieber – Kaffee oder Tee?«
»Mir ist es gleich, ich trinke beides gern.«
Bis wir alle vormittäglichen Ereignisse durchgekaut hatten, hatte ich einen Haufen geschälter, in Scheiben geschnittener Äpfel vor mir liegen, und Karen schmunzelte.
»Lauren hat mir erzählt … verzeih, du hast mir vor ein paar Jahren erzählt, Dora sei diejenige gewesen, die dich überredet habe, die Schwangerschaft fortzusetzen. Damals habe ich mir gedacht, Lauren hätte eine eigenständige Entscheidung treffen müssen, aber auf mich wollte sie ja nie hören.«
Ich warf einen Blick über die Schulter, für den Fall, dass die Kinder in der Nähe waren. »Wir müssen versuchen, aufzuhören, über Lauren immer in der dritten Person zu sprechen«, zischte ich. »Ich tu’s auch immerzu – sogar im Gemeindesaal ist es mir passiert, und das muss dem gesamten Dorf aufgefallen sein. Grant hat das Ganze doch tatsächlich für mich überspielt, hat ihnen gesagt, ich hätte mein Gedächtnis verloren. Aber ich möchte nicht, dass die Kinder uns über sie reden hören, als handle es sich nicht um mich.«
»Entschuldige … aber jetzt, wo ich’s weiß, ist das leichter gesagt als getan.«
»Na ja, die gesamte Gemeinde der St.-Martins-Kirche hat mich heute in einem anderen Licht gesehen.«
Wir kicherten zusammen wie die Schwestern, die wir angeblich waren.
»Ich würde gern dein wahres Ich kennenlernen.« Sie drückte die gekräuselten Pastetenkanten hinunter.
»Das ist mein wahres Ich. Deshalb gerät Lauren ja auch andauernd in Schwierigkeiten.«
»Nein, ich meine, in deinem eigenen Körper, deiner eigenen Umgebung. Gibt es eine Möglichkeit, dass ich Jessica treffen kann?«
»Ich weiß nicht recht«, sagte ich und ließ mir alle Möglichkeiten durch den Kopf gehen. »Als ich das letzte Mal hingefahren bin, hat Jessica geschlafen. Die Zeit hat sich während der Fahrt verändert. Wenn du mit mir kämst und diesen Zeitenwechsel ebenfalls erlebtest, würde uns das dann nicht zu Zeitreisenden machen? Ich frage mich, ob das je beabsichtigt war.«
»War überhaupt etwas von dem Ganzen beabsichtigt?«, fragte sie und schob die fertige Pastete in den Ofen.
»Dass du Lauren wirst? Könnte es nicht doch einfach ein Versehen gewesen sein?«
»Das hoffe ich nicht. Ich betrachte diese Erfahrung lieber als eine Reise. Ich folge einem vorbestimmten Weg, bin der Spielball irgendeines erhabenen universellen Plans.«
»Mist!«
Abermals kicherte ich, wurde jedoch wieder ernst, als mir ein Gedanke kam.
»Wenn ich nicht mit dir mitkäme und du allein gingest, dann würde es für dich vielleicht keinen Zeitenwechsel geben – schließlich scheint es nicht dein Schicksal zu sein, das einen Wandel erfährt, sondern meines. Was, wenn die Zeit sich nur deshalb für mich verändert hat, weil ich nicht gleichzeitig an zwei Orten existieren kann?«
Sie sah mich mit großen Augen an. »Du meinst, ich könnte jetzt hinfahren, und du wärst als Jessica dort?«
»Oh, ich weiß nicht.« Auf einmal hatte ich es satt, mir aus Dingen, die über den gesunden Menschenverstand hinausgingen, einen Reim machen zu müssen. »Warum versuchst du es nicht einfach? Schließlich ist bei Jessica heute auch Sonntag, es ist ja nur so, dass ich den Sonntag zweimal aus der Sicht zweier Personen erlebe.«
»Ich hatte nicht vor, heute hinzufahren«, erwiderte
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