Mein Tag ist deine Nacht
jungen Mann keine Untreue zu begehen, habe ich gehofft, dass Sie zu diesem Entschluss kommen könnten, habe es aber kaum zu glauben gewagt. Ich bin ja so, so glücklich für Sie, Lauren!«
»Ich bleibe den Kindern zuliebe«, flüsterte ich, aus Angst, Grant könnte uns belauschen. »Was meinen Sie, tue ich damit das Richtige?«
»Die Familie zusammenzuhalten ist das Richtige«, sagte sie und nickte. »Sie zu verlassen, hätte geheißen, es sich einfach zu machen. Sie hätten Ihren Leidenschaften nachgegeben, soweit es den jungen Mann anbelangt, und Ihre Pflichten als Mutter vernachlässigt. Viele Mütter wollen mitunter Reißaus nehmen – vor allem solche, die als zusätzliche Bürde noch ein behindertes Kind zu versorgen haben. Sie haben sich für den schwierigen Weg entschieden, den, der echtes Stehvermögen und Charakterstärke erfordert, aber es ist derjenige, zu dem Gott Sie hingeführt hat. Er wird Sie nicht im Stich lassen.«
Ich wünschte, ich könnte ihr erzählen, wie schwer sich Gott ins Zeug gelegt hatte – wer auch immer Er, Sie oder Es war –, ihre dreimal täglich verrichteten Gebete bezüglich des Familienzusammenhalts zu erhören. Vielleicht, dachte ich, hatten die Gebete dieser Frau eine besondere Stoßkraft besessen oder so etwas, aber sie schienen vernommen worden zu sein, und wenn das der Fall war, dann war es vermutlich ihre Schuld, dass ich hier war.
Aber Lauren war nicht hier, und mir fiel plötzlich etwas ein, das Dr.Chin mir erzählt hatte, als Jessica nach dem Blitzschlag im Krankenhaus gewesen war. Er hatte gesagt, dass die Chinesen einst dachten, Blitze brächten Pech, sie seien ein Zeichen für Gottes Missbilligung.
Lauren hatte er wahrlich Unglück gebracht, dachte ich mit einem Schauder, denn er hatte sie getötet und sie ihrer Zukunft beraubt, wie auch immer die ihrem Entschluss nach ausgesehen hätte.
Karen brachte ein Tablett mit Tee und Keksen herein. Ich fragte sie, ob sie sich nicht zu uns setzen wolle, doch sie meinte, sie müsse langsam daran denken, den Kindern Brote fürs Abendessen zu schmieren. Ich schaute auf meine Uhr und sah, dass der Tag sich rasch dem Ende zuneigte.
Louise muss meinen Blick auf die Uhr bemerkt haben, denn sie trank schnell ihren Tee aus und erhob sich.
»Machen Sie sich wegen heute Morgen keine Sorgen«, sagte sie, während sie in ihren Mantel schlüpfte. »Viele meiner Gemeindemitglieder haben Dora schon lange sagen wollen, dass sie sich um ihren eigenen Kram kümmern soll. Niemand wird Ihnen Ihren Ausbruch nachtragen.«
Ich begleitete sie zur Tür, ließ sie in den dunklen Vorgarten hinaus und schaute zu, wie sie die Zufahrt entlangging und dann in ihr Auto stieg.
Überall gingen die Straßenlaternen an, und unter einer, unweit des Hauses, stand ein Motorrad geparkt. Die dunkle Gestalt war in meine Richtung gewandt. Während der Wagen der Pfarrerin die Straße davontuckerte, schaute ich, ob der Motorradfahrer noch immer da war. Die Gestalt verharrte reglos.
Ich spürte, wie sich meine feinen Nackenhärchen aufstellten. Ich wusste, er beobachtete mich, und mit einer Gewissheit, die mich frösteln ließ, wusste ich auch, dass sich unter all diesem schwarzen Leder und dem dunklen Helm ein junger Mann mit einem blonden Haarschopf verbarg.
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15
N achdem ich am Sonntagmorgen um neun aufgewacht war, lag ich da und lauschte der Stille. Frankie ruhte an meinem Bettende und linste mich mit einem halbgeöffneten Auge vorwurfsvoll an.
»Na, dann komm.« Ich stand auf und zog mir meinem Morgenmantel über. »Dann saus mal raus!«
Nachdem ich geduscht und mir eine schwarze Jeans, ein weißes T-Shirt und darüber einen grobgemusterten Pulli angezogen hatte, aß ich rasch einen Marmeladentoast, gab Frankie ihr Frühstück und machte in der eisigen Morgenluft dann rasch einen Spaziergang mit ihr.
Um Viertel nach zehn, als ich gerade eine Thermosflasche mit dampfendem Kaffee zuschraubte, erschien Dan. In seinen Bluejeans, Stiefeln aus Nubukleder und einem hellbraunen Pulli sah er einfach zum Anbeißen aus.
Als ich ihn sah, wusste ich, dass wir nirgendwohin fahren würden, zumindest nicht so schnell, und er musste das Verlangen in meinen Augen gesehen haben, denn er zog mich grinsend an sich und küsste mich. Das Gefühl seines festen, warmen Körpers ließ mein Herz höherschlagen, und ich küsste ihn mit einer Intensität, die mir die Knie weich werden ließen.
Schließlich verließen wir die Wohnung erst nach elf, und ich geriet in
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