Mein Tag ist deine Nacht
kann. Pass auf dich auf, Jessica, und denk daran: Du bist nicht Superwoman. Wenn du dich auch nur im Geringsten unwohl fühlst, sag Bescheid.«
»Ja, Mama. Tschüss!«
Vater meldete sich mit rauher Stimme zurück. »Wenn dir auch nur irgendetwas fehlt, ruf uns an, meine Süße, einverstanden? Deine Mutter und ich wären in null Komma nichts da, das weißt du.«
»Das weiß ich, Papa. Ich rufe euch an, wenn ich euch brauche, versprochen.«
»Mach’s gut, meine Süße. Pass auf dich auf.«
»Bye, Papa.«
Ich legte auf und ging in meine kleine Küche, um Wasser für eine Tasse Tee aufzusetzen. Die Unterhaltung mit meinen Eltern hatte das alte Gefühl wiederaufleben lassen, ich müsse mich auf irgendeine Weise vor ihnen beweisen, besonders vor meiner Mutter, die glaubte, ich würde versagen, wenn ich mich nicht mit einem netten Durchschnittstypen häuslich niederließ und die üblichen zwei Kinder bekam, die sie beide dann abgöttisch lieben konnten. Bloß war ich noch nicht bereit dafür. Ich musste an meiner Karriere arbeiten. Ich wollte mein Diplom in Jura in der Tasche haben und jemand sein auf der Welt; eine angesehene Selfmadefrau – und nicht nur jemandes Frau oder Mutter. Vielleicht war meine Mutter mit alledem zufrieden gewesen, ich aber wollte mehr vom Leben.
Der restliche Nachmittag verging recht angenehm. Ich goss meine Pflanzen, rupfte ein paar verwelkte Blüten von den Begonien im Blumenkasten, bereitete mir und Frankie ein Abendessen und wollte dann nur noch ein Bad nehmen und ins Bett. Wenn ich mich am nächsten Morgen nach dem Aufwachen in Form fühlte, sagte ich mir, dann würde ich mich vermutlich aufraffen, arbeiten zu gehen. Montagmorgens war in der Kanzlei im Allgemeinen viel los, und da wollte ich meinen Chef nicht im Stich lassen.
Ich legte mich so bequem wie möglich ins Bett. Das war gar nicht so einfach, da ich normalerweise auf der Seite schlief, und nun der weiche Stoff des Schlafanzugs an den Brandwunden scheuerte. Ich wusste, ich war müde, weil meine Augen sich grobkörnig und trocken anfühlten, aber es war, als würde sich mein Gehirn weigern, dem Schlaf nachzugeben.
Ich wälzte mich hin und her, malte mir die Bilder aus, die ich in der Nacht zuvor heraufbeschworen hatte, und fragte mich, wie ich mir diese Phantomfamilie zusammengeträumt hatte. Schließlich musste ich wohl eingedöst sein, aber bald schon wachte ich wieder auf.
Ich öffnete die Augen, stützte mich auf und sah mich ungläubig um. Als Erstes blickte ich auf meine rechte Hand. Dort funkelte der schmale goldene Ehering, gerade noch jenseits des Heftpflasters sichtbar, das die Kanüle am Handrücken an ihrem Platz hielt. Der Tropf, auf dessen Ende sich eine Art Gummipfropf befand, war nicht mehr mit der Kanüle verbunden – vermutlich, damit sich mein Blut nicht aus der geöffneten Ader über die frischen Krankenhauslaken ergoss.
Schocks präsentieren sich verschiedenerlei, und bei mir äußerte er sich in einem hysterischen Lachanfall. Wahrscheinlich, dachte ich mir, war das wohl einfach wieder ein Traum. Und der war eindeutig nicht lustig. Bald würde ich aufwachen, und alles wäre beim Alten. Ich kniff meine Augen fest zusammen und versuchte wieder einzuschlafen, aber mein Gehirn lief auf Hochtouren, und an Schlaf war nicht zu denken.
Ich setzte mich auf und brach erneut in nervöses Gelächter aus.
Bis auf mein Gekicher herrschte Stille im Raum. Vage registrierte ich, dass ich nicht mehr mit dem EKG -Gerät verbunden war, das nun hinter meinem Bett stand. Schlagartig hörte ich zu lachen auf, als mir aufging, dass ich mich tatsächlich daran erinnerte, wie die Schwester meinen Tropf abgeklemmt hatte.
Da dieser Raum fensterlos war, ließ sich schwer sagen, wie viel Uhr es war, aber mich überkam das schauderhafte Gefühl, dass ich die Uhrzeit genau kannte. Ebenso fürchtete ich, dass der Tropf kurz nach halb drei in der Früh abgetrennt worden war.
Mir brach am ganzen Körper der Schweiß aus, als ich zurückdachte. Ich war kurz nach acht zu Bett gegangen. Eine Stunde lang hatte ich mich hin und her geworfen, was hieß, dass ich vermutlich kurz danach eingeschlafen war. Zu Hause war es ungefähr Viertel nach neun. Bedeutete das etwa, dass es hier die gleiche Zeit am Morgen war?
Ich drehte mich um, drückte den Summer, bis Schwester Sally aufgeregt im Zimmer erschien.
»Gott sei Dank sind Sie endlich aufgewacht!«, rief sie aus, während sie sich an meinem Bett zu schaffen machte, Kissen
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