Mein Tag ist deine Nacht
der Badezimmertür.
»Schon okay, Frankie«, rief ich ihr zu. »Ich komme gleich raus.«
Ich shampoonierte mir das Haar und dankte Gott dafür, dass ich keine Verbrennungen an der Kopfhaut davongetragen hatte. Der Blitz hatte meinen Schädel völlig verschont. Vielleicht, dachte ich, während ich die samstäglichen Ereignisse zum x-ten Mal Revue passieren ließ, verdankte ich meine glückliche Rettung nicht nur dem von meinem dicken Schaffellmantel gewährten Schutz. Zum Teil konnte sie auch daher rühren, dass ich mich gegen den Regenguss nach vorn gebeugt hatte, bereit, mich auf den Beifahrersitz in Dans Wagen zu setzen, so dass die Naturgewalt meinen Kopf verpasst hatte.
Ich tauchte unter, um das Shampoo auszuwaschen, rappelte mich dann auf, kletterte aus der Wanne, wand das Wasser aus dem Haar und hüllte mich in meinen Bademantel. Ich sah auf die Uhr. Verdammt! Ich war so in meine Gedanken vertieft gewesen, dass ich zu spät zur Arbeit käme, wenn ich mich nicht beeilte.
Ich zog mich rasch an, schob mir ein Stück Knäckebrot in den Mund und rannte mit Frankie im Gefolge die Treppe hinauf. Wir marschierten eine Viertelstunde, während sie an Laternenpfosten schnüffelte, ihr Geschäft verrichtete, das ich mit einem Schäufelchen in einen Abfallbehälter beförderte, und dann liefen wir wieder heimwärts.
»Bis heute Mittag!«, rief ich, schloss die Wohnungstür und begab mich auf den zehnminütigen Fußmarsch zur Arbeit.
Die Anwaltspraxis, für die ich arbeitete, Chisleworth & Partners, war in einem trist wirkenden Gebäude in einer Nebenstraße untergebracht. Ich nahm zwei Stufen auf einmal und befand mich ungefähr eine halbe Minute vor dem Eintreffen meines Chefs, Stephen Armitage, an meinem Schreibtisch.
Stephen war ein gutaussehender Mann Anfang vierzig und seit zehn Jahren mein Chef, seitdem ich mit achtzehn die Sekretärinnenschule verlassen hatte, genauer gesagt. Er hatte den Großteil meiner Ausbildung zur Rechtsanwaltssekretärin beaufsichtigt und mich angespornt, mir in der Juristerei weitere Qualifikationen zu erwerben, und mich dann als seinen Schützling unter seine Fittiche genommen. Stephen war freundlich und aufmerksam gewesen, und wir verbrachten einen Großteil unserer Arbeitsstunden zusammen, manchmal bis spät in die Nacht, weil wir Dokumente und Akten fürs Gericht zusammenstellen mussten.
Als ich im engen Vorzimmer der Kanzlei aus dem Mantel schlüpfte, wurde ich daran erinnert, wie unsere enge Zusammenarbeit eines Abends schließlich zu einem Rendezvous geführt hatte, und obwohl ich mir bezüglich meiner Gefühle für ihn nie völlig sicher gewesen war, hatte eine Beziehung mit ihm einfach und unausweichlich gewirkt. Es hatte vernünftig geschienen, nach einer Weile in eine Wohnung zu ziehen, die er kaufte, wenngleich ich mir meine Unabhängigkeit bewahrte, indem ich ihm Miete zahlte und wir uns die Alltagskosten teilten. Auch wenn uns beiden klar gewesen war, dass ich noch nicht bereit dazu war, mit ihm tatsächlich einen Hausstand zu gründen, waren wir fast sechs Jahre lang ein Paar gewesen.
Ich schaltete den Computer ein, doch ich steckte in meinen Erinnerungen fest und überdachte unwillkürlich vergangene Entscheidungen. Meine Erfahrung als Lauren führte dazu, dass ich mein Leben als Jessica in Frage stellte, und mir wurde plötzlich bewusst, dass meine Zweifel bezüglich Stephen vermutlich die ganze Zeit über präsent gewesen waren. Diese Zweifel waren womöglich der Grund, warum er noch seine kleine Wohnung in der Nähe der Kanzlei behalten hatte, und hatte sicher Einfluss auf unseren gemeinsamen Entschluss, uns mehrmals in der Woche zu treffen anstatt dauerhaft zusammenzuwohnen. Nun begriff ich, dass ich ihn mehr als Freund, mit dem ich eine Beziehung führte, denn als Lebenspartner betrachtet hatte, und zuckte bei dem Gedanken daran, dass ich ihn als solchen sogar meinen Eltern vorgestellt hatte, zusammen.
Als der Monitor zum Leben erwachte, starrte ich bewegungslos darauf und dachte daran, wie wir auf diese unbefriedigende Art vor uns hin gelebt hatten, bis mir Gerüchte zu Ohren kamen, er würde sich regelmäßig mit einer Rechtsanwältin treffen. Ich wusste, es lag nicht so sehr an den Lügen oder der Tatsache, dass er mich betrog, die mich dazu bewogen hatte, endgültig auszuziehen, sondern an dem Umstand, dass es mich nicht annähernd so sehr schmerzte, wie es das hätte sollen, wenn mir wirklich an ihm gelegen hätte.
Scheinbar ging es Stephen nicht viel
Weitere Kostenlose Bücher