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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rose
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sehen konnte.
    »Infolge des bereits erwähnten Pat-Effektes kommt es häufig zu Irritationen, aber neue Erinnerungen –?« Er schüttelte den Kopf. »Davon habe ich noch nie gehört.« Er sah mich durchdringend an. »So etwas erleben Sie doch aber nicht gerade, oder, Lauren?«
    »Um Gottes willen, nein!«, erwiderte ich hastig und lachte künstlich. »Ich habe mich nur gefragt, was Sie herausgefunden haben, das ist alles.«
    »Es gibt viele dokumentierte Fälle von Blitzschlagopfern, die desorientiert waren, sich charakterlich veränderten zum Beispiel.« Das Glitzern in seinen Augen verschwand so schnell, wie es gekommen war.
    »Fahren Sie fort.«
    »Die Wirkung des Blitzes aufs menschliche Gehirn ist ähnlich der von Patienten, die einer Elektroschockbehandlung unterzogen wurden«, fuhr er fort. »Wie gesagt, die überwiegende Mehrzahl der Überlebenden eines Blitzschlags ist über etliche Tage desorientiert und leidet an anterograder Amnesie. Bewusstseinsverluste in unterschiedlicher Länge sind üblich, genauso auch neurologische Komplikationen und Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis.«
    Er sah mich durchdringend an, als wolle er prüfen, ob ich ihm folgen könne, dann fuhr er entschlossener fort. »Sie müssen verstehen, dass der kognitive und neurologische Schaden, der dem Gehirn durch den Einschlag des Blitzes in den Schädel zugefügt wird, dem eines stumpfen Traumas gleichkommt.«
    »Als würde man einen Schlag auf den Kopf bekommen?«, fragte ich.
    Er nickte. »Genau. Sie hatten großes Glück, Lauren. Ihren Kindern zufolge traf der Blitz Sie direkt an Kopf, Rücken und Schultern. Ihr Haar, so heißt es, stand Ihnen zu Berge und fing tatsächlich Feuer, und Sie haben Verbrennungen, die mit dieser Aussage übereinstimmen.«
    »Wenn man bedenkt, wie heiß ein Blitz nach Ihren Worten sein kann, sind die Verbrennungen dafür allerdings nicht stark?«, bohrte ich weiter nach und drehte dabei an dem ungewohnten Ehering an meinem Finger. »Hätten Sie mit schlimmeren Brandwunden gerechnet?«
    Dr.Shakir lächelte. »Sie wollen es aber genau wissen, Lauren, aber ich versuche, Ihnen so konkret wie möglich zu antworten. Ja, ich war überrascht, dass Sie am Kopf nicht mehr Verbrennungen hatten, aber im Fall Ihrer Schulter, nein, da war ich nicht überrascht. Haut bildet den wichtigsten Widerstand gegen den Stromfluss in den Körper, sie verursacht zwar das Auftreten von Oberflächenverbrennungen, verhindert aber tiefere Gewebeschäden. Bei Blitzschlägen ist der Strom eine äußerst kurze Zeitspanne im Körper präsent und verursacht Kurzschlüsse bei den elektrischen Systemen des Körpers, Herzstillstand wie in Ihrem Fall, Gefäßkrämpfe, neurologische Schäden und autonome Instabilität.«
    »An meinem Fall war also nichts außergewöhnlich?«
    Er machte eine Pause und wandte den Blick ab, ehe er den Kopf schüttelte. »Nein.«
    Ich starrte ihn an und begriff, dass das, was er die ganze Zeit für sich behielt, genau das war, was ich unbedingt herausfinden wollte. Hatten Laurens Verletzungen sie tatsächlich getötet? Nach dem zu urteilen, was er mir gesagt hatte, und nach der faszinierten Art, mit der er mich betrachtete, war für mich sonnenklar, dass ich gemäß Dr.Shakirs medizinischer Erfahrung nicht hätte hier sein sollen. Meine lebende, atmende Präsenz strafte seine Bauchgefühle Lügen, widerlegte seine Diagnose. Kein Wunder, dass er mir nicht in die Augen sehen wollte, dachte ich grimmig.
    Ich erinnerte mich plötzlich daran, was Dr.Chin über mögliche Taubheit und spätere Katarakte erzählt hatte, und erkundigte mich diesbezüglich bei Dr.Shakir.
    »Sie sind bemerkenswert gut über Ihren Zustand unterrichtet«, sagte er.
    Nun, da wir uns wieder auf sicherem medizinischem Grund befanden, schien er erleichtert. Ich beobachtete, wie sich seine Schultern sichtlich entspannten. »Diese Information ist richtig bezüglich Hochspannungsverletzungen, aber ich habe Sie gründlich untersucht, und in der Hinsicht scheint derzeit keine Gefahr zu bestehen.« Er hielt inne. »Tatsächlich können Sie, sobald uns die Ergebnisse der Kernspintomographie vorliegen und alles normal ist, nach Hause.«
    »Heute?«, fragte ich ihn besorgt.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich komme morgen wieder und sehe Sie mir an. Wenn Ihre Untersuchungsergebnisse bis dahin vorliegen und Sie sich allgemein in guter Verfassung befinden, können wir Sie morgen unter Umständen entlassen. Wenn Sie dann immer noch unter Gedächtnisverlust

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