Mein Tag ist deine Nacht
Plastik-Sandkasten und ein paar Tüten Spielsand zu besorgen.
Unterdessen begutachtete ich die Kaninchenställe und Freigehege und entschied mich für einen Stall von guter Größe mit separatem Freilauf.
»Warum nehmen wir nicht so einen, wo die Kaninchen allein in den Auslauf gehen können?«, wollte Sophie wissen.
»Weil ihr euch dann nicht jeden Tag um sie zu kümmern braucht und sie nicht so zahm werden«, erklärte ich ihr. »Als ich klein war, hatte ich auch ein Kaninchen, und ich weiß, dass es nur allzu verführerisch ist, einfach Futter in den Stall zu werfen und die Tiere nicht jeden Tag rein- und rausholen zu müssen. Wenn ihr diese Kaninchen haben wollt, dann müsst ihr euch auch jeden Tag mit ihnen beschäftigen. Selbst im Regen«, fügte ich hinzu.
Sophie liebkoste ein Holländisches Zwergkaninchen. Ich beobachtete, wie sie ihr Gesicht in sein weiches, schwarzes Fell schmiegte.
»Du hast gesagt, du hasst Kaninchen.« Sie sah mich über den Rücken des Hasens hinweg vorwurfsvoll an. »Ich hab gar nicht gewusst, dass du selbst mal eines hattest.«
Ich spürte, wie ich rot wurde. Ein Schnitzer. Ich hatte Kaninchen gehabt, Lauren offenbar nicht.
»Möchtest du das da?«, wechselte ich rasch das Thema.
»Ja bitte!«, sagte sie verträumt. »Ich hab es so lieb.«
»Und du, Nicole?«, fragte ich.
Nicole hielt ein kleines mehrfarbiges Meerschweinchen mit einer rötlich braunen Haartolle genau zwischen den Augen im Arm. »Kann ich das hier haben?«, fragte sie.
»Natürlich.« Ich lächelte. »Hast du dir schon einen Namen überlegt?«
»Ginny.« Sie lächelte in sich hinein. »Wie Ginny Weasley bei Harry Potter. Die hat auch so rotes Haar.«
Ich lachte. Nicole mochte ein stilles Wasser sein, aber sie hatte einen ganz eigenen Humor. Diese Kinder könnte ich ins Herz schließen, das merkte ich. Der Gedanke war ernüchternd. Soweit war der erste Tag mit ihnen eine aufregende Mischung aus neuen Erkenntnissen über diese Familie und ihre Routinen gewesen. Ich hatte meine Rolle darin ein bisschen als Abenteuer betrachtet, mich ungefähr so wie eine Tante auf Besuch gefühlt.
Wenngleich ich ihre Mutter für tot hielt und mich damit abgefunden hatte, zumindest zeitweilig in ihre Rolle zu schlüpfen, war das alles, was es für mich gewesen war, eine Rolle, als wäre ich eine Schauspielerin, die für einen Part in einem neuen Stück verpflichtet worden war. Die Richardsons hatten mir nicht mehr bedeutet als eine traumartige Phantasiefamilie, das Ergebnis eines Zufalls der Zeit und der Elemente. Nun dagegen verspürte ich, als ich Sophie beobachtete, wie sie ihr Kaninchen streichelte, und Nicole, wie sie ihr Meerschweinchen ans Kinn kuschelte, den Anflug eines unbekannten Gefühls. Nach nur ein paar Stunden in ihrer Gesellschaft empfand ich Verantwortung ihnen gegenüber, und damit hatte ich nicht gerechnet, zumindest nicht so schnell.
»Heute können wir die Tiere noch nicht mitnehmen, vergesst das bitte nicht«, warnte ich. »Es wird spät, und wir müssen noch einen guten, sicheren Platz für den Stall finden, ihn mit Sägespänen und Heu füllen und Futter und Wasser hineinstellen. Das machen wir alles morgen, sobald ich … äh … auf … ausgeruht bin, und dann holen wir die Tiere hier ab.«
»Ich möchte meins gleich mitnehmen«, sagte Sophie und sah mich trotzig an.
Ich schüttelte den Kopf. Wir würden sie am nächsten Tag holen.
»Morgen überlegst du’s dir anders und lässt sie uns nicht haben!«, schrie sie. »Du hast gesagt, wir dürften nie Haustiere haben. Ich hab’s doch gewusst!«
Bestürzt beobachtete ich, wie sie sich das Kaninchen schnappte und zum anderen Ende des Ladens stürmte.
Nach ein paar Sekunden lief ich ihr nach und entdeckte sie, wie sie auf ein paar Vogelhäuschen starrte, das Kaninchen an die Brust geschmiegt.
»Sophie?«
Sie gab keine Antwort, und so kniete ich mich vor sie hin und sprach sanft, aber nachdrücklich.
»Dieses Kaninchen hat großes Glück«, erklärte ich ihr. »Es wird einem vernünftigen Mädchen gehören, das weiß, dass es nicht glücklich wäre, wenn es die ganze Nacht über in einer Schachtel verbringen müsste. Und das wäre es doch nicht, oder, Sophie?«
Sophie zuckte mit den Schultern, und ich fuhr fort. »Wir kommen wieder und holen es, versprochen. Aber es braucht seine Zeit, sein neues Heim richtig vorzubereiten.«
Sie schob die Unterlippe vor und fuhr mit der Spitze ihres weißrosa Turnschuhs über den Boden, und einen
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