Mein Tag ist deine Nacht
wollte von meinen Dingen umgeben sein, vertraute Arbeiten verrichten und die Anblicke und Geräusche meines Heims auskosten. Beinahe hätte ich meine Mutter wieder angerufen, kam dann aber zu dem Schluss, sie würde in Panik geraten, wenn sie dachte, ich bräuchte sie. Ich wollte nicht, dass sie und mein Vater den weiten Weg von Somerset bis zu mir zurücklegten. Und wenn sie bei mir übernachteten, wie würde ich ihnen dann mein frühes Zubettgehen und die Ohnmachtsanfälle erklären?
Ein strenger Frost früh an diesem Morgen hatte meine Begonien auf dem Vorhof welken lassen, und so zog ich sie aus den Töpfen, schaufelte eine Kelle voll Kompost unter die Erde und steckte stattdessen nun eine Handvoll Frühlingszwiebeln hinein. Ich bereitete mir ein Nudelgericht, doch mein Blick wanderte unweigerlich immer wieder zur Uhr an der Wohnzimmerwand. Es war halb acht. Inzwischen wusste ich, dass Grant gerade am Mittwochmorgen aufstand und Lauren sich bald um die Kinder kümmern müsste, aber ich war noch nicht müde genug, um in die Federn zu kriechen.
Lauren würde erschöpft sein, schätzte ich, nachdem sie nachts aufstehen hatte müssen. Da sie von den Jungen aufgescheucht worden war, hatte sie nur ein paar Stunden Schlaf abbekommen. Vielleicht könnte ich sie ein bisschen länger liegen lassen.
Ich rief Frankie, damit sie sich auf meinen Schoß setzte, und zappte durch die Fernsehkanäle, während ich ihre seidigen Ohren streichelte, aber ich konnte mich nicht auf die Programme konzentrieren. Um halb neun beschloss ich, ins Bett zu gehen und ließ mir ein Bad einlaufen. Gerade wollte ich ins dampfende Wasser steigen, als das Telefon klingelte.
»Hi, wie geht’s dir heute Abend?«, fragte Dan.
Wieder lief es mir heiß und kalt über den Rücken. Ich umklammerte das Telefon, als wäre es eine Rettungsleine, und bemühte mich um einen lässigen Tonfall.
»Mir geht’s gut. Und selbst?«
»Besser, jetzt, wo ich deine Stimme höre. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, bist du dir sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?«
»Ich hatte heute einen kleinen Rückschlag«, erzählte ich ihm. »Ich bin in der Arbeit umgekippt, und sie haben mich wieder ins Krankenhaus gebracht.«
»Du hättest mich anrufen sollen!«, sagte er. »Haben sie gesagt, woran es lag?«
»Ich habe den chinesischen Arzt wiedergetroffen. Er sagte, es sei vermutlich eine Folge des Blitzschlags. Ich habe mir jetzt ein paar Tage freigenommen.« Ich zögerte und setzte dann hinzu: »Er meinte, Blitzschläge hätten bisweilen seltsame Auswirkungen.«
»Aber jetzt ist alles okay?«
»Denke schon.«
»Soll ich rüberkommen?«
Wieder schnellte mein Blick zur Uhr.
»Nein!«
Ich wusste, das hatte scharf geklungen, und bedauerte es sofort. Dan könnte eine ganz besondere Rolle im meinem Leben spielen, das war mir klar, aber zuvor im Krankenhaus hatte ich begriffen, dass es unfair wäre, ihn zu ermutigen, während ich ertrug, was auch immer ich da gerade zu ertragen hatte. Ich wünschte, ich könnte ihm davon erzählen. Ich malte mir aus, wie er mich in seinen Armen wiegte, meine Seele davon abhielt, in Laurens Körper zu springen, mich gewaltsam in Jessica hielt, wo ich hingehörte.
»Warte!«
»Was denn, Jessica?«
»Ich … etwas ist mit mir geschehen, als mich der Blitz getroffen hat. Seitdem kommt es mir vor … als sei … ich nicht mehr ich selbst.«
»Wie meinst du das?«
»Ich meine damit, ich mag dich wirklich, Dan. Das Timing passt nur gerade nicht, das ist alles.«
»Möchtest du denn überhaupt, dass ich dich wieder anrufe? Oder soll ich darauf warten, dass du es tust?«
»Ich weiß nicht«, meinte ich lahm. »Doch, ja, ruf mich an. Vielleicht.«
Unvermittelt lachte er am anderen Ende der Leitung.
»Triff deine Entscheidung nur ja nicht zu schnell«, meinte er.
»Ich möchte dich wiedersehen, Dan.«
»Gut. Nachdem wir das mal geklärt haben, lasse ich dich in Ruhe dein Problem lösen, was immer es auch sein mag.«
»Danke, Dan. Bye.«
Sobald ich aufgelegt hatte, brach ich in Tränen aus. Dan war seit Ewigkeiten der erste Mann, dem ich womöglich Zugang zu meinem Leben gewährt hätte, nur wusste ich nicht, wie das unter diesen Umständen klappen sollte. Frankie kam, legte den Kopf auf mein Knie und winselte zu mir hoch. Ich kauerte mich auf den glänzenden Holzboden und hielt sie fest in den Armen.
»Oh Frankie«, weinte ich und vergrub mein Gesicht in ihrem Fell. »Was in aller Welt soll ich nur tun?«
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7
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