Mein Tag ist deine Nacht
wachte davon auf, dass Toby auf meinem Bettende herumhüpfte.
»Mami, steh auf!«, rief er und sprang auf und nieder. »Papa sagt, er hat die Nase voll, darauf zu warten, dass du aufwachst. Er will zur Arbeit gehen!«
Schlaftrunken spähte ich zur Nachttischuhr. Halb zehn. Für Schulferien nicht schlecht, sagte ich mir.
»Papa geht zur Arbeit, geht zur Arbeit, geht zur Arbeit!«
»Ja, schon gut, Toby, ich hab’s verstanden, danke.« Ich stieg aus dem Bett und ging – leicht verstimmt durch das grobe Weckmanöver – um ihn herum ins Bad. Zu Hause kam ich gern in aller Ruhe zu mir, ehe ich in die Küche bummelte, mir in der Stille der Wohnung einen Tee aufgoss und Frankie fütterte.
Auf meinem Weg zum Badezimmer merkte ich, dass meine Schulter trotz des ereignisreichen Vortags, der gestörten Nachtruhe und Tobys unaufhörlichem Geplapper an diesem Morgen längst nicht mehr so schmerzte.
»Warum gehst du nicht zu Papa und sagst ihm, dass ich jetzt wach bin, und ich dusche derweil?«
Zu meiner Erleichterung machte er sich daran, seinen Auftrag zu erledigen, und ich strich über das Nachthemd in der Badewanne, das ich in der vergangenen Nacht dort hineingeschmissen hatte, ehe ich es in den Wäschekorb warf. Es stank nach Erbrochenem und erinnerte mich an Teddys Alptraum. Der Arme, dachte ich. Die ganze Geschichte musste ihn schrecklich mitnehmen.
Ich drehte den Wasserhahn auf und stellte mich seitwärts unter den heißen Strahl, damit die verwundeten Körperpartien vom Wasserstrahl ausgespart wurden. Sobald ich aus der Dusche gestiegen war, zog ich eine Ecke des Heftpflasters von meiner Schulter und besah mir die Wunde im Badezimmerspiegel. Laurens Brandwunden heilten erstaunlich schnell, aber ich wusste, ich sollte mir die Zeit nehmen, zum Hausarzt zu gehen und sie untersuchen zu lassen.
Ich klebte das Pflaster wieder hin und sann von neuem darüber nach, wie man mit Teddy am besten umging. Es war eigenartig, dass von allen Kindern nur Teddy gemerkt hatte, dass ich nicht ihre echte Mutter war. Ich wusste, ich würde mit ihm darüber sprechen müssen, war mir aber nicht sicher, wie ich es angehen sollte.
Grant wartete schon in der Küche auf mich, als ich in einem von Laurens Outfits nach unten kam. Ich hatte mir eine cremefarbene Hose mit einem apricotfarbenen Top ausgesucht, vervollständigt durch einen zweifarbigen Schal. Ich war zu dem Schluss gekommen, dass Lauren sich dringend ein paar praktische Sachen zulegen musste. Einen Jogginganzug oder eine Jeans schien sie nicht zu besitzen, und ich kam mir in ihren teuren Klamotten viel zu fein angezogen vor und fühlte mich unwohl darin.
»Du bist also wach«, bemerkte Grant. Er sah mich prüfend an, stand auf, kam auf mich zu und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Du siehst bezaubernd aus, Lauren.«
»Danke.«
»Ich denke, Toby hat dir erzählt, dass ich vorhabe, ein paar Stunden in die Praxis zu gehen?«
Ich ging zum Wasserkessel und stellte ihn an.
»Ja.«
»Und es ist dir recht, oder?«
»Kommst du denn nicht mit, um die Sandkiste und die Tiere abzuholen?«
»Ich bin noch immer nicht überzeugt, dass das eine gute Idee ist, Lauren. Du magst es doch nicht, wenn die Kinder schmutzig werden. Sie würden ständig Sand und Streu ins Haus tragen. Das würde eine Menge für dich zusätzliche Arbeit bedeuten!«
»Grant, sie haben nichts zum Spielen. Kein Wunder, dass das letzte Kindermädchen kündigte, wo man mit den Kindern nichts anderes tun konnte, als den ganzen Tag mit ihnen spazieren zu gehen.«
Ich hielt inne und hängte einen Teebeutel in eine Tasse. »Hättest du auch gern einen?«
Er schüttelte den Kopf. »Was für eine abscheuliche Angewohnheit, Lauren. Kannst du nicht einfach eine Kanne aufgießen? Einzelne Teebeutel sind so nachlässig!«
Ich sah ihn entrüstet an. »Es überrascht mich, dass jemand, der Unordnung so hasst wie du … vier Kinder in die Welt gesetzt hat. In diesem Haus wirkt alles so steril!«
»Ich habe nicht vor, mich auf eine Diskussion darüber einzulassen, wieso wir die Jungs bekommen haben. Sollte dein Gedächtnis je wiederkehren, wirst du wissen, dass es nicht meine Idee war.« Er verstummte, als käme es ihm vor, dass er zu viel gesagt hatte. Er nahm meine Hand und sah mir forschend in die Augen. »Schau, ich weiß, das alles ist schwierig für dich, Schatz. Für mich ist es auch nicht leicht, aber ich möchte, dass es klappt. Du weißt, ich liebe dich, aber wir müssen die kleinen Eigenarten des anderen
Weitere Kostenlose Bücher