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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rose
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verteilte. »Alles an diesem Leben ist ein Fragezeichen. Das macht meinen Umgang mit Grant sehr schwierig. Er möchte, dass ich ihn liebe, aber ich kenne ihn nicht, wie könnte ich also? Für mich ist er ein Fremder. Und ich kann nicht verstehen, warum er mir nicht glaubt, dass ich mein Gedächtnis verloren habe, wo er doch dabei war, als Dr.Shakir erklärt hat, was passiert ist.«
    »Allmählich glaube ich, du erinnerst dich wirklich an nichts mehr.« Ich riskierte einen vorsichtigen Blick. »Du liebe Zeit, du tust es wirklich nicht, stimmt’s?«
    »An rein gar nichts.«
    »Ach du grüne Neune! Wie schrecklich!« Vorübergehend schien sie mitzufühlen, doch dann grinste sie auch schon, da ihr offenbar klar wurde, welche Folgen mein Gedächtnisverlust in Bezug auf unsere gemeinsame Kindheit hatte. »Wow! Damit bin ich aus dem Schneider, was die vielen Male angeht, die ich dich vertrimmt habe, als wir Kinder waren, oder? Das ist ja phantastisch, wirklich! Bis du wieder auf dem Dampfer bist, ist es so, als hätten wir eine weiße Weste. Wir können unseren ganzen Kindheitsballast hinter uns lassen und noch mal ganz von vorn anfangen.«
    »Gern!«
    »Dann können wir nur hoffen, dass, sollten deine Erinnerungen wiederkommen, zumindest die ausbleibt, wie peinlich es dir ist, mich als Schwester zu haben.«
    »Dr.Shakir glaubt nicht, dass mein Erinnerungsvermögen je wieder richtig einsetzt«, erzählte ich. »Und ganz bestimmt würdest du mir nie peinlich sein. Ich bin nicht mehr derselbe Mensch wie zuvor. Gib mir eine Chance zu beweisen, dass ich mich verändert habe.«
    Sie zog probehalber am Tischbein, schien zufrieden und half mir, den Tisch aufzustellen.
    »Nach dem zu urteilen, was ich bislang mitbekommen habe,
bist
du eine andere Person. Ich kann verstehen, wieso Grant skeptisch ist. Das ist ja richtig unheimlich!«
    »Erzähl mir vom Rest unserer Familie«, bat ich und lotste die Unterhaltung damit weg von gefährlichem Terrain. »Wo leben unsere Eltern?«
    Karen wurde blass. »Mist, Lauren. Nicht mal das weißt du, oder?«
    »Was denn?«
    »Sie sind vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Es gibt nur noch uns zwei, Schwesterherz.«
    Ich verarbeitete diese Information und begriff, dass es mir leidtun sollte oder so etwas in dieser Richtung. Natürlich hatte ich Laurens Eltern nie kennengelernt, obwohl ich, Jessica, sie, nach dem zu urteilen, was Karen erzählt hatte, bestimmt sehr gemocht hätte. Aber ich wusste, Karen musste sich verletzt fühlen, und so legte ich die Arme um sie.
    »Das tut mir so leid, Karen. Aber wir haben ja einander und die Kinder.«
    Sie umarmte mich ebenfalls, und wir standen eine Weile da und spendeten uns gegenseitig Trost. Ich spürte, dass mir die Idee, eine Schwester zu haben, durchaus gefiel.
    Ich malte mir aus, wie wir zusammen bummeln gingen, Gartentipps austauschten und Geheimnisse miteinander teilten, zu Weihnachten oder zu Geburtstagen Geschenke für die anderen aussuchten und einander anriefen und ausführlich über unser Alltagsleben berichteten, wenn wir uns nicht sehen konnten. Ich dachte, wie lustig es doch wäre, wenn wir beide mit Frankie spazieren gehen würden, bis mir die Unmöglichkeit all dessen dämmerte, tröstete mich dann aber mit dem Gedanken, dass wir zusammen etwas mit den Kindern unternehmen und als eine große, glückliche Familie zusammen Spaß haben könnten.
    Ich hatte nie jemanden gehabt, bei dem ich mich aussprechen hatte können. Wenn ich meinen Eltern gegenüber irgendwelche kleinen, albernen Ungelegenheiten erwähnte, machten sie sich Sorgen um mich, und ich hatte sie nie mit meinen Zweifeln und Ängsten belasten wollen. Selbst Clara, wenngleich eine gute Freundin, hatte die Angewohnheit, einem ungebeten ihre Meinung aufzudrängen. Aber eine Schwester, malte ich mir aus, konnte imstande sein, zuzuhören, ohne das Bedürfnis zu empfinden sich einzumischen, und ich konnte zuhören und mitfühlen, wenn sie ihrerseits Sorgen quälten. Ich dachte daran, wie sehr ich mich darüber freuen würde, Karen besser kennenzulernen.
    »Du bist unverheiratet, oder?« Ich warf einen Blick auf ihren leeren Ringfinger.
    Sie löste sich von mir und sah mich lange eindringlich an, ehe sie einen Entschluss zu fassen schien.
    »Ich lebe mit jemandem zusammen«, erklärte sie zurückhaltend.
    »Habe ich ihn schon kennengelernt?«
    »Es ist kein Er. Es ist eine Sie.«
    »Oh.« Ich hielt inne und beeilte mich dann zu sagen: »Habe ich
sie
schon

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