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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rose
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unter ihrem durchdringenden Blick rot wurde. »Du hast schon immer gern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden.«
    Ihre Stichelei ärgerte mich, doch dann entspannte ich mich. Immerhin legte ihre Antwort nahe, dass sie mich für die echte Lauren hielt. Ich beschloss, die Gelegenheit beim Schopf zu packen, um etwas mehr über die Frau, deren Körper ich bewohnte, zu erfahren. »Erzähl mir was aus unserer Kindheit«, bat ich sie. »Der Arzt im Krankenhaus – Dr.Shakir – hat mir erklärt, ich hätte eine angeborene Schwäche, weshalb der Blitzschlag bei meinen Temporallappen solchen Schaden hatte anrichten können. Offenbar sind dort die Gedächtnisfunktionen untergebracht. Hat es schon irgendein Anzeichen in der Richtung gegeben, als ich klein war?«
    »Also ich fand dich immer reichlich
dick
köpfig.« Karen lachte kurz auf. Sie bemerkte meine Niedergeschlagenheit und milderte ihren Ton etwas.
    »Ich kann mich nicht erinnern, dass da etwas in der Art aufgetreten wäre. Tut mir leid, wenn ich schroff klinge, Lauren, aber unsere Mutter hat uns immer dazu angehalten, uns in die Lage anderer einzufühlen, aber darin warst du nie sonderlich gut. Selbst als Kind schienst du zu denken, die Welt würde sich nur um dich drehen und alle Menschen darauf seien zu deinem Nutzen da.«
    »So allmählich habe ich das Gefühl, die besten Freundinnen seien wir nicht gerade gewesen.«
    »So könnte man’s nennen. Du warst so eine richtig eingebildete Zicke, Lauren. Als Teenager wolltest du immer das Neueste, obwohl unsere Eltern sich das gar nicht leisten konnten. Sie haben rund um die Uhr gearbeitet, um uns kleiden und ernähren zu können, und du hast alles angenommen, als stünde dir das zu. Deine sogenannten Freunde hast du dir unter dem Gesichtspunkt ausgesucht, was sie dir brachten. Als würden die Leute, die deiner Meinung nach auf der sozialen Leiter weiter oben standen, dir selbst auch hinaufhelfen.« Sie prüfte das Tischbein und machte sich dann daran, das nächste anzubringen. »Ich habe nie kapiert, wieso es dir so viel bedeutet hat, wie du aussiehst und mit wem du dich abgibst. Mutter hat uns immer gesagt, alle Menschen seien gleich wichtig, jeder habe eine Aufgabe im Leben zu erfüllen. Sie hat an Karma und Reinkarnation geglaubt und hätte ihr letztes Hemd verschenkt, nicht nur an uns, sondern auch an Freunde, Bekannte und sogar völlig Fremde. Das hast du nie verstanden, stimmt’s?«
    Ich beschäftigte mich angestrengt mit dem Tischbein, und sie fuhr fort. »Es überrascht mich nicht, dass du Grant geheiratet hast, als er mit seiner fetten Geldbörse und dem teuren Sportwagen, den er damals fuhr, daherkam und dir den Kopf mit seiner Privatpraxis und seinem extravaganten Lebensstil vernebelte.«
    Ich hielt mit dem Kleben inne und sah zu ihr hoch. »Na, und
ich
bin überrascht, dass du auf Grants Bitte hin hergekommen bist. Klingt nicht so, als würdest du mich sonderlich mögen.«
    Unvermittelt lächelte sie mit einer solchen Wärme, dass sie ein völlig anderer Mensch zu werden schien. »Trotz all deiner Fehler bist du immer noch meine Schwester«, entgegnete sie. »Und ich bin vor Sorge fast umgekommen, als Grant mir erzählte, du seist beinahe gestorben. Da beschloss ich, dass für weitere Zankereien keine Zeit bleibt und wir unsere Meinungsverschiedenheiten besser ad acta legen sollten.«
    »Ich freue mich, dass du gekommen bist.« Ich erwiderte ihr Lächeln mit einiger Erleichterung. »Ich möchte so sehr, dass wir miteinander auskommen.«
    »Schön, vielleicht fängst du ja endlich an, dich in andere Leute hineinzuversetzen«, sprach Karen weiter und war sich der Ironie ihrer Worte nicht bewusst. »Zumindest scheinst du zum ersten Mal zu verstehen, warum du keines der Kindermädchen länger als ein, zwei Monate halten konntest. Du hast die armen Mädels wie einen Gebrauchsgegenstand benutzt, wie eine Waschmaschine oder einen Staubsauger. Bei euch, um einen Dienst zu leisten, ohne dass man sich auch nur im Geringsten um ihre Gefühle oder Bedürfnisse zu kümmern braucht.«
    »Klingt nicht danach, als sei ich sehr glücklich gewesen.«
    »Nein, ich glaube nicht, dass du das warst.« Sie spähte in meine Augen, und ich sah weg, vielleicht aus Angst, sie könne darin jemand anderen entdecken. »Du warst rastlos, hast immer nach etwas anderem gesucht. Seltsamerweise wirkst du jetzt glücklicher als je zuvor.«
    »Trotzdem, es ist hart«, gab ich zu, während ich Klebstoff auf dam letzten Tischbein

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