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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rose
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die Finger, und er entfernte sich unter Schmerzensgeschrei von meinem Gesicht.
    »Runter von mir! Runter!«, schrie ich und trommelte auf sein Gesicht und seine Schultern ein. »Du tust mir weh, Grant, hör auf damit!«
    »Ich liebe dich«, nuschelte er, beugte sich über mich und saugte an seinem schmerzenden Finger. In dem schwachen Licht, das aus der Diele durch den Spalt der teilweise geöffneten Tür drang, beobachtete ich, wie sein Gesichtsausdruck von Verwirrung zu Verärgerung wechselte. Er gewann die Oberhand zurück und setzte sich rittlings auf mich. »Halt still! Du bist meine Frau, du musst mich lieben, halt still!«
    »Bin ich nicht!«, schrie ich in panischer Angst, als er sich auf mich senkte. »Ich bin nicht Lauren. Lass mich in Ruhe!«
    Das Schlafzimmerlicht ging an, und Grant hielt inne.
    »Du hast doch gehört. Runter von ihr!«, befahl Karen von der Tür aus.
    »Hau ab!«, schnauzte Grant und wandte seine Aufmerksamkeit wieder mir zu.
    Mit ein paar kurzen Schritten hatte Karen den Raum durchquert und zerrte an seinem T-Shirt.
    »Runter von ihr, oder ich rufe die Polizei!«
    Grant starrte sie an, und endlich drangen die Worte in sein benebeltes Gehirn. Er rollte von mir herunter und erhob sich unsicher.
    »Das ist nicht notwendig, Karen. Lauren ist meine Frau, wie du weißt.«
    »Sie will dich hier aber nicht«, entgegnete Karen fest. »Du bist betrunken, geh in dein Zimmer zurück.«
    Ich dachte, er würde protestieren, doch er nickte nur reichlich verlegen, warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu und torkelte hinaus. Karen setzte sich aufs Bett und nahm mich in die Arme.
    »Jetzt ist alles gut, er ist weg«, redete sie sanft auf mich ein, damit ich zu weinen aufhörte. »Sperr deine Tür ab, damit er dich heute Nacht nicht noch mal behelligt.«
    Nachdem sie in ihr Zimmer zurückgegangen war, dauerte es eine ganze Weile, bis ich mich dazu zwingen konnte, mich zu bewegen, doch die Angst, Grant könnte zurückkommen, veranlasste mich schließlich dazu, auf zittrigen Beinen zur Schlafzimmertür zu gehen und sie zuzuschließen. Zurück im Bett, schloss ich die Augen, doch der Schlaf wollte nicht kommen. Ich warf mich hin und her, der Vorfall ging mir nicht mehr aus dem Kopf, und je mehr ich mich darüber sorgte und mir Gedanken machte, was Dan jetzt gerade in meiner Wohnung durchmachte, umso wacher wurde ich. Ich warf einen Blick auf die Nachttischuhr und wurde von Panik ergriffen. Es war ungefähr drei Uhr nachmittags gewesen, als ich von Jessica fortgeschnappt und in Lauren verfrachtet worden war, doch nun war es nach vier Uhr in der Früh.
    Zu Hause wäre ich bereits über eine Stunde ohnmächtig, und Dan musste krank vor Sorge sein. Hoffentlich hatte er keinen Notarzt alarmiert. Ich wollte nicht wieder im Krankenhaus enden. Je öfter das vorkam, umso mehr Ärzte nahmen Tests vor und forschten in meinen Krankenakten, bis sie meine Zusammenbrüche schließlich auf mentalen Stress und emotionale Probleme zurückführten.
    Bedrückt fragte ich mich, was geschehen würde, wenn ich einen dieser Schwächeanfälle einmal bei Gericht oder anlässlich einer wichtigen Zusammenkunft in der Kanzlei bekam. Passierte das öfter, konnte das nicht nur meinen Job aufs Spiel setzen, sondern auch ganz allgemein Chisleworth & Partners in ein schlechtes Licht rücken. Zudem war es ja nicht so, dass ich nur ein paar Augenblicke bewusstlos war. Ich konnte so lange weggetreten sein, wie Familie Richardson mich brauchte. Wie konnte ich das den Kollegen aus meiner Kanzlei plausibel machen, dachte ich mit einem Schauer düsterer Vorahnung?
    Ich war mal wieder beim Zwangsjackenszenarium angekommen und vergrub verzweifelt meinen Kopf unter dem Kissen.

[home]
    10
    S chließlich muss ich eingedöst sein, denn ich erwachte von einem Flüstern in meiner Nähe. Einen Augenblick war mir nicht klar, wo ich war. War ich als Lauren oder Jessica erwacht? Ich schlug die Augen auf und sah Clara in einer Ecke meines Schlafzimmers sitzen. Dan kauerte neben ihr, sie hatten die Köpfe zusammengesteckt und wisperten verschwörerisch miteinander.
    »Ein paar Minuten geben wir ihr noch«, meinte Clara gerade. »Ich weiß, es sieht schlimm aus, aber als sie vorvorgestern in der Kanzlei umkippte, war sie, nachdem sie im Krankenhaus wieder zu sich gekommen war, fit wie ein Turnschuh. Ich glaube eigentlich nicht, dass sie wieder in die Notaufnahme möchte.«
    Dan blickte zu mir herüber. Sein Gesicht war grau, sein Blick sorgenvoll. Als ich ihn

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