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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rose
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hieß ja nicht, dass ich am Hungertuch nagen musste.
    Jeder der Körper, in denen ich steckte, brauchte in der Zeit, in der ich ihn bewohnte, anständige Nahrung und Pflege, denn beide mussten gleichzeitig ein volles und aktives Leben führen. Lediglich mein Bewusstsein teilten sie miteinander. Ich würde es mir zu leicht machen, wenn ich das eine oder andere meiner Ichs vernachlässigte, nur weil ich in meinem anderen Leben gerade gegessen oder gebadet hatte. Insofern hoffte ich, die normalen körperlichen Regungen wie etwa ein knurrender Magen oder das Gefühl, baden oder sich die Zähne putzen zu müssen, die Oberhand über die mentale Wahrnehmung behielten, dass man ebendas ja gerade erst getan hatte und es deshalb nicht schon wieder nötig war. Zum Frühstück aß ich ein Müsli und trank von meiner Milch, fütterte dann Frankie und goss meine Zimmerpflanzen. Als ich in meine bequemen Jeans schlüpfte, überlegte ich, wie ich ein paar meiner Kleidungsstücke zu Lauren verfrachten könnte. Wir beide mussten ungefähr dieselbe Größe haben, denn, wenngleich älter als ich und vierfache Mutter, Lauren hatte sich sehr bemüht, in Form zu bleiben. Wenn ich ganz ehrlich zu mir war, dann würde ich Trost darin finden, etwas von meinen Sachen in jenem anderen Leben zu deponieren, und eine Ausrede dafür, ein kleines Experiment zu wagen, wollte ich auch.
    Ich stöberte in den Küchenschubladen nach dem Ersatzschlüssel für die Wohnungstür und ging, ausgerüstet mit Poster-Strips, nach draußen und klebte ihn an die Rückseite der Regenrinne. Zufrieden darüber, dass niemand per Zufall darauf stoßen und er auch nicht herunterfallen konnte, ging ich Frankies Leine holen und machte einen langen Spaziergang mit ihr.
    Auf dem Heimweg kaufte ich Baguettes, kalten Braten und Salat, setzte mich zu Hause in meinen Lieblingssessel und nahm mein Buch zur Hand. Frankie döste zu meinen Füßen, und der Klang ihrer gleichmäßigen Atemzüge und das Ticken der Wohnzimmeruhr hallten laut in dem stillen Raum wider. Ich genoss die Muße und fragte mich, ob Lauren je zum Lesen kam.
    Als es an der Tür klingelte, zuckte ich derart zusammen, dass mir das Buch auf Frankies Kopf fiel, die auf die Füße sprang und zur Tür raste. Ich folgte ihr langsamer und versuchte, mein Herzklopfen in den Griff zu bekommen. Ich stand vor der Tür, zog meine Jeans an den Oberschenkeln glatt und fuhr mir mit zittrigen Fingern durchs Haar, ehe ich den Mut aufbrachte, sie zu öffnen.
    Dan lächelte zögernd, als wäre er nicht sicher, ob er willkommen sei. Ich lächelte breit zurück, allerdings nicht, um ihm die Befangenheit zu nehmen, sondern weil ich gar nicht anders konnte.
    »Wurde mir verziehen?«, fragte ich, als er über die Schwelle trat und mich umarmte.
    Er schnupperte an meinem Hals und atmete tief ein, als würde er im Geruch meiner Haut ertrinken. Ich hob einen Fuß und trat die Tür zu, und dann stolperten wir zur Couch. Alles an Dan erregte mich. Ich liebte die Art, wie er meine Hand hielt, während wir uns liebten, den Duft des Shampoos in seinem Haar, den Ausdruck in seinen Augen, wenn er meinen Namen rief. Meine Zweifel von zuvor, wie weise es sei, beim augenblicklichen Stand der Dinge auch noch eine Beziehung zu führen, wurden von Dan schon bald zerstreut, und ich wusste, ich hatte mich Hals über Kopf in ihn verliebt.
    Später, als wir dasaßen, Baguette aßen und heißen, süßen Tee tranken, um nach unserem Liebesspiel wieder zu Kräften zu kommen, fragte er, wie ich mich fühle.
    »Genau jetzt fühle ich mich lebendiger als je zuvor in meinem Leben.« Noch immer musste ich unwillkürlich lächeln, wenn ich ihn ansah.
    »Ich habe gemeint, ob du noch mal solche Anfälle hattest?« Er erwiderte mein Lächeln mit einem Grinsen.
    Ich spielte mit dem Gedanken, ihm die Wahrheit zu sagen. Wenn ich diesen Mann liebte, dann sollte ich ihm vielleicht vertrauen. Aber wie konnte er solch einer Geschichte Glauben schenken? Bestimmt würde er mich einfach für verrückt halten und künftig auf Distanz gehen. Welcher normale Mann, der seine Sinne beisammen hatte, würde eine Beziehung mit einer Frau weiterführen wollen, die behauptete, der Blitz habe sie zweigeteilt und sie bewohne gegenwärtig fast zeitgleich zwei verschiedene Körper? Ganz zu schweigen von dem nicht unerheblichen Umstand, dass ein zeitlicher Rücksprung mit im Spiel war.
    »Nein.«
    »Dann hoffen wir mal, das gestern war der letzte«, meinte er und leckte sich Mayonnaise von

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