Mein Tag ist deine Nacht
stylischen Besitztümer und der persönlichen Einblicke, die ich in ihr Leben hatte, aufgegangen, dass sie eine richtige Mädchenmama war. Daher war es gut vorstellbar, dass der Gedanke an Söhne – noch dazu gleich zwei auf einmal – sie entsetzt hatte.
Ich dachte an Grant und sein Wissen um die Unzulänglichkeiten seiner Frau. Wie hatte er ihren Entschluss, die Zwillinge zu behalten, wohl aufgenommen?, fragte ich mich. Es musste für beide eine entsetzlich schwierige Entscheidung gewesen sein.
»Grant scheint ja völlig vernarrt in sie zu sein«, sagte ich, »und es muss schwer für ihn gewesen sein, zu sehen, wie sie etwas ertrug, das sie, wie er wusste, nicht wollte, und womit sie vermutlich nicht zurande käme.«
»Und wie sich zeigte, hatte er recht. Als die Jungs geboren wurden, hat sie den Boden unter den Füßen verloren«, fuhr Karen fort. »Und als man entdeckt hat, dass Teddy hirngeschädigt war, da war es, als würde sie ihre Bemühungen einstellen, eine gute Mutter zu sein. Sie hat die erste einer Reihe von Kindermädchen eingestellt, hat partout nicht gestattet, dass die Kinder ihrem kostbaren Haus oder schön gestalteten Garten ihren Stempel aufdrücken, und hat sich zu jeder Gelegenheit mit ihren Freundinnen getroffen. Und damit meine ich nicht, nur einen Tag lang. Sie hat mit ihnen lange Wochenenden und sogar Wochen anderswo verbracht, und das Kindermädchen und Grant konnten zu Hause sehen, wie sie mit den Kindern fertig wurden.«
»Wieso hat Grant ihr denn derart viel Freiraum zugestanden?«
»Er ist ein schwacher Mann, das habe ich dir doch gesagt. Er hat Lauren angebetet, und ich glaube, tief im Inneren hat er immer geglaubt, er sei für sie nicht gut genug. Er wollte sie beherrschen, aber sie entwickelte sich, entwickelte sich über ihn hinaus. Ich glaube, er hat sie gehen lassen, um sie bei Laune zu halten, aber der Umstand, dass sie ihn so häufig verlassen wollte, hat dazu geführt, dass er sich noch unzulänglicher gefühlt hat. Dann wuchs in ihm das Misstrauen, sie könne eine Affäre haben.«
»Hat er dir das tatsächlich gesagt?«
»Heute Morgen, als ich ihm gründlich die Meinung darüber gegeigt habe, was er letzte Nacht zu tun versucht hatte, da hat er mir gestanden, er hätte eine Zeitlang gedacht, dass sie einen anderen hätte.«
Sie sah mich an und lachte dann unter Tränen. »Ich kann’s nicht fassen, dass ich mich mit dir in der dritten Person über meine Schwester unterhalte. Du siehst exakt so aus wie sie. Das ist so unwirklich!«
Wir saßen noch immer nebeneinander auf der Treppe, als Nicole den Kopf aus der Küchentür streckte.
»Teddy hat sich seine Nudeln auf den Schoß gekippt«, verkündete sie. »Toby lacht ihn deswegen aus, und Teddy wird allmählich wütend.«
Wir standen gleichzeitig auf und gingen in die Küche. Unser Gespräch war beendet.
Anderthalb Stunden darauf, als die Kinder nach der üblichen Routine aus Baden, Zähneputzen und Geschichtenvorlesen im Bett lagen, setzten Karen und ich uns ins Wohnzimmer, um unsere Unterhaltung fortzusetzen. Aber noch ehe wir das Thema, das uns vor allem am Herzen lag, anschneiden konnten, hörten wir Grants Wagen in die Zufahrt einbiegen, und ich stand wieder auf, zog die Vorhänge zu und knipste das Licht an.
Einige Minuten darauf streckte er den Kopf durch die Wohnzimmertür, und ich wartete ab, in welcher Laune er war. Er warf einen nervösen Blick in meine Richtung, und ich fragte mich, ob er ebenfalls eine abwartende Haltung einnahm. Ich beschloss, großherzig zu sein, und ging zu ihm, da er mir nach Karens Erzählung, wie gedankenlos Lauren mit ihm umgegangen war, leidtat, und erkundigte mich, wie sein Tag gewesen sei.
»Meine Arzthelferin hat vor ein paar Tagen angerufen und sich beklagt, dass der stellvertretende Zahnarzt nicht viel tauge.« Er ging zum Schrank und goss sich einen Whisky ein. »Sie hatte recht. Heute sind Patienten zu mir zurückgekommen und haben über Zahnschmerzen und lockere Kronen geklagt. Ein absoluter Alptraum.«
»Das tut mir leid. Hättest du gern etwas gegessen? Ich habe Nudeln auf dem Herd stehen.«
Er blickte mich über den Rand seines Glases an und nickte. »Ja, ich habe ganz schön Hunger. Danke, Lauren.«
Ich merkte, dass er mich nicht länger mit zwangloser Vertrautheit behandelte, sondern vielmehr mit der Förmlichkeit von jemandem, der mit einem Gast spricht. Ich nahm an, Karens Unterhaltung mit ihm am Morgen war auf fruchtbaren Boden gefallen, und mich
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