Mein Tutor
Darf ich dich begleiten?«
Ich drehe mich um und denke: Danke, lieber Gott. Keine Ahnung, womit ich das verdient habe, aber ich danke dir. Ich stehe auf diesen Typen, seit er bei uns eingezogen ist, und jetzt rennt er hinter mir her, und ich muss nichts dafür tun. »Natürlich … Warum nicht?« Ich setze mein freundlichstes Lächeln auf und versuche, den neuesten Untermieter meiner Mutter so zu beeindrucken – Doktor Peregrine Nash, angesehener Akademiker und in seiner ganzen männlichen Pracht ein rundum leckeres Sahneschnittchen.
Ich warte, bis er mich eingeholt hat, und kann mein Glück immer noch nicht ganz glauben. Da meine Mutter mich immer wie ein Wachhund im Auge behält, hatte ich bisher noch keine Gelegenheit, dem guten Doktor zu zeigen, dass ich unbändige Lust auf ihn habe.
Das Verlangen, ihn anzustarren, ist groß, aber es gelingt mir, mich auf heimliche Blicke zu beschränken, als wir nebeneinander in Richtung Ehebruchgasse laufen, wie die Einheimischen sie nennen.
Ich bin ziemlich nervös. Dieser Mann ist brillant. Ein echtes Genie, und sieht dazu noch hinreißend aus, er ist ein herausragender Mathematiker, der erst seit Kurzem hier an der Universität lehrt. Ich bin auch nicht gerade dumm, auf meine eigene Weise sogar ziemlich clever, und ich habe einen verdammt guten Job. Doch ich spiele nicht in seiner Liga, was die Anzahl der grauen Zellen betrifft.
»Ein schöner Tag, nicht wahr?«, sagt er.
Er ist nervös. Das kann ich erkennen. Ein schüchterner Kerl, trotz seiner akademischen Leistungen. Und das ist sexy. Ich stand schon immer darauf, einem weniger erfahrenen Mann Dinge beizubringen. Das ist eine meiner geheimen Fantasien. Und bei einem gut aussehenden Kerl wie ihm, der anderen Leuten etwas beibringt, wäre das noch ungleich spannender. Natürlich könnte es auch sein, dass ich mir da nur etwas einbilde und er sich vor willigen kaum retten kann … aber irgendwie sagt mir mein Sahneschnitten-Sex-Radar, dass ich bei ihm richtig liege mit meiner Vermutung. Und mit etwas Glück können wir beide auf diesem Weg noch etwas lernen.
»Wunderbar … Ein fantastischer Tag für einen Spaziergang. Es ist schön, mal aus dem Haus zu kommen, wissen Sie … Meine Mutter ist zwar wirklich lieb, aber sie wacht mit Argusaugen über mich. Sie glaubt, dass ich unter besonderer Beobachtung stehen sollte, nur weil ich gerade nicht verheiratet bin.«
Himmel, warum plappere ich dummes Zeug und erzähle ihm von meinen persönlichen Problemen? Wenn ich nicht aufpasse, sage ich ihm als Nächstes vielleicht noch, dass ich wahnsinnig gern Sex hätte. Und dass er derjenige ist, dem die Ehre zuteilwerden soll.
»Ja, allerdings«, erwidert er und lächelt mich erneut vorsichtig an, als wäre er sich nicht sicher, ob er da in etwas hineingeraten ist, womit er nicht gerechnet hat. Was ist, wenn ihm wirklich nur der Sinn nach einem unschuldigen Spaziergang in der frischen Luft gestanden hat, in Begleitung der geschiedenen Tochter seiner Vermieterin?
Wir erreichen den Rand des Knutschgestrüpps, und ich versuche noch immer, ihn einzuschätzen. Der Abend ist warm, und er zieht seine Jeansjacke aus, unter der er ein weißes T-Shirt trägt, das meine Mutter liebevoll gebügelt hat. Ich muss zugeben, dass er nicht wirklich ein klassischer Adonis ist. Zum einen ist er recht klein. Nicht größer als ich. Und er ist auch ein bisschen mollig, hat ein rundes Gesicht und einen untersetzten kleinen Körper. Aber er hat »es«. Den X-Faktor, oder wie immer man es nennen möchte. In seinem Fall ist es vermutlich eher der Pi-Faktor oder irgendeine esoterische Zahl. Er wirkt ein wenig finster mit seiner dunklen Haut, der leichten Hakennase und dem wildesten Haarschopf aus lauter schwarzen Locken, den man sich vorstellen kann. Im Grunde genommen sieht er aus wie eine köstliche Kombination aus einem Sexgott und einem unschuldigen Naivling. Ich könnte ihn auffressen.
Wir schweigen uns an, aber ich erwische ihn dabei, dass er mir dieselben verstohlenen Blicke zuwirft wie ich ihm. Diskret scheint er mich abzuschätzen, und er geht dabei sehr vorsichtig vor. Ich bin davon überzeugt, dass er mich will, aber erst noch das genaue Theorem eines erfolgreichen Verführungssprungs durchrechnen muss. Am liebsten würde ich ihm sagen, dass er sich da gar keine Gedanken machen muss. In seinem Fall würde ich sogar beschämend schnell die Segel streichen, allerdings bildet er auch die Ausnahme. Zumindest seit …
»Warum stehen all die
Weitere Kostenlose Bücher