Mein ungezähmtes Herz
gekannt hatte.
Diese Angst hielt ihn so fest in ihren Klauen, dass er sie nicht mehr loswurde.
Sie hatte ihm von Anfang an nicht gefallen.
Und in der Rückschau gefiel sie ihm noch weniger.
Del warf einen Seitenblick auf den Grund für all seine Sorgen. Die Dame saß entspannt auf dem Sofa und lächelte glücklich.
Der Anblick erleichterte ihn keineswegs. Ja, sie war in Sicherheit und offensichtlich sehr zufrieden. Doch obwohl all sein Denken um ihr Wohlergehen kreiste, war irgendetwas in ihm immer noch nicht beschwichtigt. Sie war schuld an der Furcht, die ihn beinahe lähmte.
Und das musste er ihr klarmachen. Unmissverständlich. Gleich.
Noch in dieser Nacht.
Del richtete den Blick nach vorn und unterdrückte seine Unruhe, biss sich auf die Zunge und konzentrierte sich darauf, die lässige Fassade aufrechtzuhalten, während er sich insgeheim eine passende Predigt zurechtlegte.
15. Dezember Somersham Place, Cambridgeshire
Bibbernd rutschte und schlitterte Sangay über die eisige weiße Decke, die sich über den Hinterhof des riesigen Hauses gebreitet hatte. Das Gebäude war groß wie ein Palast und
genauso geschäftig, was ein Segen war. Niemand hatte besonders auf ihn geachtet. Keiner hatte ihn barsch angefahren oder ausgefragt. Stattdessen hatte er ein kleines Zimmer ganz für sich allein bekommen, hoch unter dem Dach, wo es warm war, und Cobbys Freund Sligo hatte ihm eine Jacke besorgt – »Pagenjacke« hatte er dazu gesagt –, die Sangay über seiner Tunika tragen konnte.
Die Hände in den Taschen dieser Jacke vergraben und den Kopf zum Schutz vor dem Wind tief in den hochgestellten Kragen gezogen eilte Sangay unbeholfen, aber so schnell er es wagte, zum massiven, langgestreckten Stall.
Dahinter würden sie sich treffen, hatte der Mann gesagt.
Das Gebäude war an drei Seiten von hohen Ziegelmauern begrenzt. An einer davon tastete Sangay sich entlang, um zur Rückseite zu kommen, wo etwas, das wie ein Wäldchen aussah, bis an die Mauer heranreichte.
Auf einer kleinen Lichtung auf halbem Wege blieb er stehen. Wenigstens fielen die kalten weißen Flocken nicht mehr vom Himmel, doch der Wind war immer noch schneidend und die Luft schwer, wie beladen, was darauf hindeutete, dass es bald weiterschneien würde.
Die Nacht war nicht tintenschwarz. Die weiße Decke reflektierte das wenige Licht, das es gab, und verbreitete so viel Helligkeit, dass Sangay sich umschauen konnte. Trotzdem hörte er das Knirschen der Stiefel auf der weißen Kruste, lange bevor er die massige Gestalt des Mannes aus den schwarzen Schatten treten sah.
»Hast du sie?«
Die barsche Frage brachte Sangay endgültig zum Schlottern, dennoch zwang er sich, den Kopf zu schütteln.
»Aber ich hab sie gesehen, Sahib-Sir!«
Ungerührt betrachtete Larkins den Jungen.
»Vor dem Gasthaus, als der Colonel sie an sich genommen hat?«
»Ja, Sahib, da hab ich sie gesehen.«
»Und seitdem nicht mehr?«
»Nein, Sahib, aber wir sind gerade erst angekommen, und das Haus ist sehr groß, jedenfalls weiß ich jetzt, wonach ich suchen muss! Und dieses Haus ist so riesig, dass niemand mich beachtet! Morgen kann ich anfangen, und wenn ich die Briefrolle gefunden habe, bringe ich sie zu Ihnen.«
Die weit aufgerissenen Augen fest auf Larkins’ Gesicht gerichtet gab der Junge sich alle Mühe, sein Zittern zu verbergen und aufmerksam und selbstsicher auszusehen.
Und obwohl er Larkins nichts vormachen konnte, wusste der Erpresser, dass dieser Junge die besten Chancen hatte, an die Rolle heranzukommen, und daher im Moment sein wertvollster Mitarbeiter war.
Aus diesem Grund hatte er das Treffen auch auf zehn Uhr festgesetzt – nicht so früh, dass der Junge vermisst werden würde, doch auch nicht so spät, dass er Aufmerksamkeit erregte, wenn er sich nach draußen schlich.
Larkins wusste, wie solche Haushalte funktionierten und welchem Plan die Diener folgten, denn früher war er einer von ihnen gewesen. Allerdings war es schon sehr lange her, dass er ein einfacher Angestellter gewesen war. Die Schwarze Kobra hatte ihn reich gemacht. Reicher, als er es sich je hatte träumen lassen. Inzwischen besaß er genug Geld, um selbst Diener einzustellen, wenn er es gewollt hätte. Doch solche Dinge machte ihm keine Freude. Jedenfalls nicht annähernd
so viel wie das Geschäft mit dem Terror. Das war es, was ihm am besten gefiel an der Arbeit für die Schwarze Kobra – dass sie ihm die Gelegenheit bot, seine grausamen Fantasien auszuleben.
Es machte ihm
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