Mein ungezähmtes Herz
nauseam gepredigt hatte, heirateten Gentlemen ihre Mätressen nicht.
Genauer gesagt, kein anständiger Mann käme jemals auf die Idee, ihr die Heirat anzutragen.
Als Deliah zu diesem düsteren Ergebnis gelangte, sank ihre Stimmung noch mehr. Verwundert über die Heftigkeit ihrer Trauer beschäftigte sie sich näher mit dem, was sie fühlte – und warum …
Es gelang ihr, das Lächeln beizubehalten oder zumindest die Lippen entsprechend zu verziehen und sich nichts anmerken zu lassen, während sie sich insgeheim Vorwürfe machte. Wie unglaublich dämlich, unsäglich dumm und blöde sie gewesen war.
Sie hatte es wieder getan – sie hatte sich schon wieder in einen Mann verguckt.
Nein. Deliah unterbrach den Gedankengang und fing noch einmal von vorn an. Sie hatte sich verliebt, wirklich und wahrhaftig, Hals über Kopf und für immer, zum allerersten Mal. Das stürmische Gefühl, das Del in ihr geweckt hatte, war meilenweit entfernt von dem lauen Lüftchen, das dieser Bastard Griffiths entfacht hatte. Damals war sie in ihrer Unschuld und Naivität davon ausgegangen, dass das, was sie fühlte, Liebe war; sie hatte den Unterschied noch nicht gekannt.
Das war jetzt anders.
Jetzt wusste sie, dass sie Del liebte.
Aus tiefstem Herzen, so närrisch ihr Herz auch war.
Das allein war schon schlimm genug. Und sie wollte und konnte sich nicht erlauben, alles noch schlimmer zu machen, indem sie sich vorgaukelte, es gäbe auch nur den Hauch einer Chance, dass er für sie das Gleiche empfand, und erst recht nicht, dass er sie als geeignete Partie betrachten könnte. Eine, die er heiraten konnte.
Wie man ihr von Jugend an eingebläut hatte, war sie nicht vermittelbar. Nicht so, wie ein Gentleman sich seine Ehefrau wünschte.
Sie war zu rechthaberisch, zu dickköpfig, zu ungezähmt.
Selbst wenn Del anders dachte und sie als Ehefrau in Betracht gekommen wäre, war es, nachdem sie sich ihm hingegeben hatte, zu spät.
Die Traurigkeit, die Deliah erfasste, drohte sie zu ersticken.
Immer noch lächelnd, doch insgeheim verzweifelt auf der Suche nach einem Ausweg oder einer Ablenkung, sah sie sich um – und begegnete Dels Blick.
Er hatte sie beobachtet. Ein Teil von ihr hatte es bemerkt – die verräterische Wärme gespürt –, doch sie war zu tief in ihre düsteren Gedanken versunken gewesen, um zu reagieren.
Del lächelte, zog mit der ihm eigenen lässigen Eleganz die langen Beine an und erhob sich.
Deliah schluckte, als er auf ihren Sessel zukam, und stand automatisch auf.
Er sah ihr in die Augen.
»Du siehst aus, als würdest du nach einer Fluchtmöglichkeit suchen. Wir könnten über die lange Galerie schlendern,
wenn du möchtest.« Sein dunkler Blick war warm und zärtlich.
»Äh …« Am liebsten wäre Deliah vor sich selbst geflüchtet. Vor sich und der erschütternden, trostlosen Realität. Deliah schaute sich um. Die anderen hatten sich zu Gruppen zusammengetan und plauderten angeregt. Sie sah wieder zu Del hinüber.
»Ehrlich gesagt habe ich Kopfschmerzen.«
Sein Blick wurde besorgt.
Eilig redete Deliah weiter.
»Nur ganz leicht – nicht so schlimm. Aber … ich denke, ich gehe nach oben.«
Sie zurrte ihr abhandengekommenes Lächeln wieder fest und wandte sich, mit einem Blick auf die anderen Frauen, an Catriona, die in dem Sessel neben ihr saß.
»Ich gehe ins Bett. Ich bin ziemlich erschöpft. Eine Nacht Schlaf bringt bestimmt alles wieder ins Lot.«
Catriona lächelte ihr madonnenhaftes Lächeln und tätschelte Deliah die Hand.
»Dann bis morgen.«
Deliah nickte den anderen lächelnd zu, neigte zu guter Letzt das Haupt vor Del – der nach wie vor an ihrer Seite stand und den für ihren Geschmack zu scharfsichtigen Blick nicht von ihr löste –, murmelte »Gute Nacht« und verließ das Zimmer.
Del sah ihr nach und fragte sich, was geschehen sein mochte. Deliah wirkte … bedrückt. Verwirrt und verstört, doch auf eine seltsame Art, die er sich nicht erklären konnte. Es drängte ihn, ihr zu folgen, sie nach dem Grund zu fragen und alles wieder in Ordnung zu bringen. Allerdings … sie hatte
ungewöhnlich unsicher gewirkt. Vielleicht sollte er ihr etwas Zeit lassen.
Allerhöchstens fünfzehn Minuten.
Wenn sie glaubte, ihre Bemerkung über die Nachtruhe würde ihn davon abhalten, in ihr Bett zu kommen, hatte sie sich jedenfalls getäuscht. Falls sie wirklich Kopfschmerzen hatte, konnte sie in seinen Armen schlafen.
Mit einem Grinsen in Catrionas Richtung, die gelassen zurücklächelte,
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