Mein ungezähmtes Herz
Beinen stehen.«
Sie musterte Del unauffällig und fragte sich, ob er auch zu den Männern gehörte, für die der Gedanke, dass eine Frau eigenes Geld verdiente, schlicht skandalös war.
»Welche Art von Geschäft tätigst du denn? Und wie lange schon? Verdienst du mit Baumwolle genauso viel wie mit Zuckerrohr?«
Dels Fragen kamen Schlag auf Schlag. Darin vertieft, sie zu beantworten, spazierte Deliah neben ihm her. Seine Ausdrucksweise deutete darauf hin, dass er in Geldgeschäften kein Anfänger war. Noch beruhigender aber war, dass er ihr Engagement respektierte und sich nicht darüber lustig machte.
Deliah konnte sich nicht erinnern, jemals so ausführlich über ihre Geschäfte gesprochen zu haben, es sei denn mit ihren langjährigen Börsenmaklern, die weit weg in Jamaika waren.
Als sie das Ende der Avenue erreicht hatten, blieb Del kurz stehen. Dann führte er Deliah über die breite Allee auf einen abgeschiedenen Pfad, der tiefer in den Park hineinführte. Der Kiesweg wurde von dichten Hecken gesäumt, hinter denen noch dichtere Büsche aufragten.
»Red weiter«, flüsterte er.
»Sind sie uns wieder auf der Spur?« Als Del nickte, fragte Deliah:
»Wie viele?«
Del spitzte die Ohren.
»Drei, denke ich. Mindestens.«
»Sind Tony und Gervase in der Nähe?«
»Weiter zurück, hinter den Bäumen im Norden. Sie laufen parallel zu uns.«
Sie schlenderten weiter und redeten über dies und das, ohne auf ihre Worte zu achten. Auf einer Seite stießen mehrere Pfade auf ihren, doch die Büsche an der Nordseite bildeten nach wie vor eine ununterbrochene Reihe.
»Sie trauen sich nicht recht«, konstatierte Del schließlich.
»Was darauf hindeuten könnte, dass wir es endlich mit Sektenanhängern statt mit gedungenen Engländern zu tun haben.«
In stummem Einverständnis verlangsamten sie den Schritt. Nun bemerkte auch Deliah das leise Rascheln der Büsche, das ihnen folgte.
»Sie sind noch da«, flüsterte sie, »aber der Weg ist bald zu Ende.«
Del schaute voraus. Etwa dreißig Meter weiter vorn endete der Pfad auf einer offenen Rasenfläche. Er fasste Deliah am Arm und wurde noch langsamer.
»Wir müssen etwas unternehmen.«
Kaum hatte er das gesagt, hörten sie hinter sich Gekichere und leise Stimmen, die sich angeregt unterhielten. Als sie sich umschauten, sahen sie, dass ein gutes Stück entfernt eine Gruppe sehr junger Damen mit Begleitern auf ihren Pfad zusteuerte.
Jäh hörte das Rascheln auf.
Deliah wechselte einen Blick mit Del.
»Vielleicht nehmen sie gleich einen der anderen Wege.«
Er biss die Zähne zusammen.
»Weiter.«
Sie gingen sehr langsam, doch das Kichern der albernen Gruppe folgte ihnen und näherte sich sogar.
Geschlagen und ernüchtert erreichten sie das Ende des Weges und traten auf die offene Rasenfläche. Dann gingen sie ein paar Schritte zur Seite und blieben stehen. Die lustige Truppe trat ebenfalls ins Freie und setzte voll lautstarker Begeisterung über die schöne Aussicht ihren Weg fort.
Als das Geplapper verklungen war, sah Del Deliah an.
»Wir könnten auf demselben Weg zurückkehren und ihnen eine zweite Chance geben.«
Sie nickte.
»In Ordnung.«
Doch hinter den dichten Büschen blieb es still.
Ihre Verfolger hatten aufgegeben.
Als sie wieder am Anfang des Weges angelangt waren, traten sie auf die breite Allee hinaus. Weiter nördlich sahen sie ihre beiden Leibwächter, die in eine Unterhaltung vertieft unter einem großen Baum standen. Gervase schaute in ihre Richtung und schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Komm.« Mit grimmiger Miene fasste Del nach Deliahs Ellbogen.
»Dann können wir ebenso gut zum Hotel zurückkehren.«
13. Dezember Grillon’s Hotel
Anderthalb Stunden später ging Del zu seinem Zimmer. Nach ihrer Rückkehr war er bei Deliah im Salon geblieben. Sie hatte Tee bestellt, und dann waren Tony und Gervase zu ihnen gestoßen.
In den Büschen entlang des Pfades hatten bewegliche Schatten gelauert. Doch Tony und Gervase hatten sich zurückgehalten, da sie erst bei einer Attacke einschreiten wollten, und plötzlich waren die Schatten erstarrt und schließlich auseinandergegangen.
Allerdings waren es Engländer gewesen, keine Inder, also auch keine Sektenmitglieder. Und ihre Vorsicht deutete darauf hin, dass die Schwarze Kobra nun gewieftere Typen anheuerte.
Kein gutes Zeichen.
Del öffnete die Tür zu seinem Zimmer und trat ein. Cobby war schon da und dabei, das Bad einzulassen. Del schloss die Tür, zog den Mantel aus, legte ihn
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