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Mein ungezähmtes Herz

Mein ungezähmtes Herz

Titel: Mein ungezähmtes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Laurens
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es sich dabei gar nicht um einen Pool handelte, jedenfalls nicht in seinen Augen. Trotzdem musste er unbedingt dorthin zurück, sonst sah er Indien und seine Mutter nie wieder.
    Im Schutz der länger werdenden Schatten bog er vorsichtig um die Ecke und stahl sich leise davon, weg vom Hotel. Obwohl er dort in Sicherheit gewesen war und im Warmen – und zum ersten Mal in seinem kurzen Leben genug Essen bekommen hatte. Aber er wagte es nicht zu bleiben.
    Der Mann würde ihn suchen kommen, so viel war Sangay klar. Er musste gehen, ehe er gefunden wurde.
    Da Sangay nur seine dünnen Hausschuhe trug, verursachte er kein Geräusch auf den Pflastersteinen. Je weiter er sich vom Hotel entfernte, desto schneller ging er. Die Erinnerung an den Mann trieb ihn voran. Er war ein ehrlicher, guter Junge.
Auch wenn er nur Kabinensteward gewesen war, wollte er nicht zum Dieb werden. Doch wenn der Mann ihn wieder schnappte …
    Sangay begann zu laufen.
    Er erreichte die Grenze des Hinterhofs, umrundete eine Ecke – und prallte gegen eine Wand aus Haut und Knochen.
    Sangay strauchelte. Doch ehe er die Balance wiederfinden konnte, hatte ihn schon jemand am Kragen gepackt. Sangay war noch dabei, nach Luft zu schnappen, um seine Unschuld zu beteuern, als eine tiefe Stimme weit über ihm knurrte:
    »Wohin soll’s denn gehen, Kleiner?«
    Sangay quiekte vor Angst und versuchte, sich loszureißen, aber die Hand schloss sich nur fester um seinen Hals und schüttelte ihn wie eine Ratte.
    So lange, bis der Junge keuchend nach Luft rang.
    Da fasste der Mann ihn mit der anderen Hand am Kinn und zwang ihn, ihm in das unheilverkündende Gesicht zu sehen. Doch es war nicht die finstere Miene, die Sangay die größte Angst einjagte, sondern die hellen Augen des Mannes.
    »Ich glaube, ich muss dich noch einmal daran erinnern, was passiert, wenn du mir nicht gehorchst, Junge.« Der Mann sprach leise und drohend.
    »Deine Mutter wird über einem Feuer aufgehängt und ganz langsam geröstet. Sie wird schreiend um Gnade flehen – die niemand ihr gewährt. Und ehe sie stirbt – was, wie ich dir versichern kann, nicht schnell gehen wird –, wird sie deinen Namen verfluchen, und den Tag, an dem sie ein so undankbares Balg in die Welt gesetzt hat.« Die tiefe Stimme hielt inne.

    Eine kalte Faust legte sich um Sangays Herz.
    »Andererseits«, fuhr die tiefe Stimme fort, »wenn du tust, was ich dir sage, bleibt deiner Mutter das Feuer erspart, sie wird keine unerträglichen Schmerzen leiden und keinen grässlichen, furchtbaren, gottverlassenen Tod sterben.«
    Bei den letzten Worten wurde Sangay noch einmal geschüttelt.
    »Also, Kleiner – du kannst wählen.« Der Mann fauchte beinah.
    »Wofür entscheidest du dich? Gehst du zurück ins Hotel und holst diese hölzerne Briefrolle, so wie ich es dir aufgetragen habe, oder soll ich dich umbringen und mit der ersten Flut eine Nachricht nach Indien schicken?«
    »Ich tu’s! Ich tu es ja, Sahib!« Sangay schaffte es kaum, die Worte durch die klappernden Zähne zu pressen. Als er abrupt losgelassen wurde, schwankte er kurz, fing sich dann aber wieder und blieb mit gesenktem Kopf stehen.
    »Ich tue, was Sie mir sagen.«
    Ihm blieb keine andere Wahl. Vor lauter Angst konnte er kaum atmen.
    »Also, hast du nachgesehen? Irgendetwas herausgefunden seit Southampton?«
    »Oh ja, Sahib, ja. Das normale Gepäck habe ich vollständig durchsucht, Sahib, aber eine Briefrolle war nicht dabei. Sie muss in den Koffern sein, die der Colonel-Sahib in seinem Zimmer hat, oder sonst in den Taschen, die sein Bursche Cobby stets bei sich behält. Es sei denn der Colonel-Sahib trägt sie am Körper, aber das glaube ich nicht, denn ich habe gut aufgepasst, und ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein Ding unter seinen Mantel passt.«

    »Ich glaube auch nicht, dass er die Rolle bei sich hat.«
    »Vielleicht«, sagte Sangay und seine Miene hellte sich ein wenig auf, »ist sie im Gepäck der Memsahib.«
    Der große Mann musterte ihn kurz, dann nickte er.
    »Vielleicht. Du suchst so lange, bis du die Rolle findest, verstanden? Aber lass dich nicht dabei erwischen. Wir haben noch ein paar Tage Zeit. Besser du bringst sie mir bald, bevor du auffliegst – kapiert?«
    Sangay nickte mehrmals.
    »Ja, Sahib. Ich soll in Deckung bleiben, bis ich die Rolle gefunden habe – niemand darf wissen, dass ich nach diesem Ding suche.«
    »Richtig. Tu das, und deiner Mutter passiert nichts – denk dran. Was weißt du über die zwei anderen Gentlemen,

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