Mein ungezähmtes Herz
Entschuldigung.
Glücklicherweise war es ihm gelungen, keine Miene zu verziehen. Er sah Deliah fest in die Augen und sagte:
»Du hast gleich zu Beginn die Chance bekommen, dich aus allem herauszuhalten, aber jetzt steckst du zu tief mit drin – zumindest in den Augen der Schwarzen Kobra –, also musst du dabeibleiben und die Sache zu Ende bringen.«
Nur dann konnte er für ihre Sicherheit garantieren. Egal, wie es weiterging – und nach dem Vorfall am Vormittag war er ziemlich sicher, dass es zwischen ihnen weitergehen würde – , durfte er sie niemals aus den Augen lassen. Sonst bekam sie womöglich die heimtückische Rachsucht der Schwarzen Kobra zu spüren.
Deliah hielt seinen Blick fest, sah ihm tief in die Augen, dachte nach und nickte dann leicht.
»Wenn du das wirklich willst, bleibe ich.«
Del war nicht vorbereitet auf die Woge der Erleichterung, die ihn durchlief.
Sehr mit sich zufrieden – sie hatte gar nicht die Absicht gehabt, sich zu verabschieden, sich nur dazu verpflichtet gefühlt, dieses Angebot zu machen – sah Deliah noch einmal in die Runde und dachte an die vielen Leute, die gekommen waren, um sich mit Del zu unterhalten.
»Gibt es denn nicht einen Menschen im Haus, dem du von dem Brief oder der Schwarzen Kobra erzählen könntest?«
»Wenn es so wäre, würde ich es tun, aber da der Anführer der Sekte Ferrar heißt, gibt es hier niemanden, der für Gerechtigkeit sorgen könnte oder wollte. Ferrars Vater, der Earl, ist einer der Direktoren, und ich bin ziemlich sicher, dass er viele andere Direktoren in der Tasche hat. Das ist seine Art, Geschäfte zu machen.«
Del ließ den Blick noch ein letztes Mal durch das Foyer wandern, dann fasste er Deliah beim Arm.
»Komm. Wir sind lange genug hier gewesen – und haben genügend Leute gesprochen, um Ferrar nervös zu machen.«
Deliah schaute ihn an.
»Ist er auch hier?«
»Nein, aber viele von seinen Kumpanen. Die Nachricht von meinem Besuch wird die Runde machen. Die Schwarze Kobra erfährt bestimmt davon.«
Del führte Deliah nach draußen, auf den Bürgersteig vor dem Haus.
Als er stehenblieb, um seine Taschenuhr hervorzuziehen, schaute sie sich um und sah Tony auf der anderen Straßenseite stehen. Gervase wartete ein Stück weiter hinten.
»Und wohin gehen wir jetzt?«
Del steckte seine Uhr wieder ein und sagte:
»Es ist kurz nach drei, und das Wetter ist gut. Also, wie würde eine Lady wie du den Nachmittag verbringen wollen?«
Deliah war nicht abgeneigt, einen Spaziergang im Hyde Park zu machen. Auf diese Weise konnte sie sich auf dem üppigen Rasen die Beine vertreten und gleichzeitig die weibliche Hälfte der guten Gesellschaft beobachten – oder zumindest den Teil davon, der sich zu dieser Jahreszeit noch in der Stadt befand – , die sich wie üblich in großer Aufmachung in den Kutschen entlang der Avenue zeigte.
Del, der neben ihr herging, bemerkte ihr Interesse.
»Ich dachte, du interessierst dich nicht für die neueste Mode.«
»Tu ich auch nicht.« Deliahs Aufmerksamkeit war von einem besonders zarten Crêpe-Kleid gefesselt – eine mutige Wahl angesichts der eisigen Böen, die durch die kahlen Äste fegten –, sodass sie ein wenig geistesabwesend antwortete:
»Ich interessiere mich mehr für die Stoffe, aus denen sie besteht.«
Überrascht fragte Del:
»Und warum?«
Deliah blinzelte, merkte, was sie gesagt hatte, und schielte zu ihm hinüber. An seinem konzentrierten Blick konnte sie sehen, dass eine ausweichende Antwort wohl nicht akzeptiert werden würde. Warum sollte sie ihren Erfolg auch verbergen? Insbesondere vor einem Exangestellten der Ostindien-Kompanie.
»Ich … habe ein gewisses Interesse – wirtschaftlicher Art – an Baumwolle.«
Del zog die Brauen hoch.
Hastig sprach Deliah weiter.
»Eigentlich bin ich im Zuckerrohr-Geschäft, doch kürzlich ergab sich eine Gelegenheit, in den Anbau und Import von Baumwolle zu investieren, und ich habe zugegriffen. Daher interessiert es mich, in welchem Maße sie, verglichen mit Wolle oder Seide, weiterverarbeitet wird.«
Del war bass erstaunt.
»Du machst Geschäfte?«
Das gehörte sich natürlich nicht für eine Lady, doch sie war es leid, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen und anderen etwas vorzumachen. Daher nickte sie.
»Mein Onkel hat mich dazu ermutigt. Obwohl er manchmal schrecklich konservativ denkt, ist er in anderen Dingen
recht progressiv. Und außerdem ist es in Jamaika nicht so ungewöhnlich, dass Frauen auf eigenen
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