Mein ungezähmtes Herz
ab und runzelte nachdenklich die Stirn.
»Ich habe einen Auftrag für dich.«
»Aye?«
»Ich brauche Eintrittskarten für irgendeine Veranstaltung – Oper, Theater, was es gerade gibt. Für Miss Duncannon und mich.«
»Für heute Abend?«
»Genau.«
»Hört die Lady gerne Musik?«
»Keine Ahnung.« Del streifte seine Krawatte ab.
»Mir ist alles recht. Nimm einfach irgendetwas, das sie ablenken könnte.«
Und ihn ebenso.
»Wenn Sie hier alles haben, was Sie brauchen, frage ich am Empfang.«
Als der Colonel zustimmend nickte, ließ Cobby ihn allein.
Nachdem Del den Rest seiner Kleidung abgelegt hatte, ließ er sich in die Sitzbadewanne sinken. Das Wasser war dampfend heiß. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Gervase und Tony waren unterwegs zu der Kneipe im East End, um nach dem Gesandten der Schwarzen Kobra Ausschau zu halten.
Ihm fiel die Aufgabe zu, für Deliahs Sicherheit zu sorgen, doch nach allem, was an diesem langen Tag vorgefallen war, erschien es ihm höchst unklug, den ganzen Abend mit ihr allein zu sein.
Abgesehen von dem erstaunlichen Kuss und dem Gefühl, dass er irgendwie unvollendet geblieben war – das ihn im Laufe des Tages mehr als einmal beschäftigt hatte – hatte er noch das Problem, dass ihre Anwesenheit, buchstäblich an seiner Seite, ihn ablenkte, während er ganz auf die Schergen der Schwarzen Kobra konzentriert sein sollte.
Das nagte an ihm und kostete Kraft.
Er mochte gar nicht daran denken, dass er sie in Gefahr brachte, indem er sie mitnahm und wissentlich an seiner Seite behielt, denn der Gedanke quälte ihn. Irgendetwas in seinem Innern, eine Stimme, die sich selten meldete und deshalb kaum beachtet und noch seltener gefragt wurde, sagte ihm beharrlich, dass er einen schweren Fehler gemacht hatte, als er Deliah der Bedrohung durch die Schwarze Kobra ausgesetzt hatte.
Und dann drängte diese Stimme ihn beharrlich, diesen Fehler zu korrigieren. Etwas zu tun, damit sichergestellt war, dass ihr nichts geschah. Niemals. Nicht nur, indem er auf sie aufpasste, sondern indem er sie ganz aus der Sache heraushielt, sodass sie gar nicht erst ins Kreuzfeuer geriet.
Dabei konnte er sich sehr gut vorstellen, was sie sagen würde, wenn er diesen Einflüsterungen lauschte oder sogar folgte.
Das, was diese Frau in ihm hervorrief, war extrem, in gewisser Weise sogar lächerlich, und im Großen und Ganzen unverständlich. Doch seine Mission und die Schwarze Kobra hielten ihn so in Atem, dass er nicht lange darüber nachgrübeln konnte.
Er musste einfach einen Weg finden, damit umzugehen – im täglichen Miteinander damit zurechtzukommen. Später, wenn der Auftrag erledigt und die Schwarze Kobra gefangen war, hatte er Zeit genug, darüber nachzudenken. Im Moment nicht.
Wenn er es nüchtern betrachtete, lief es nicht gut mit seiner Mission. Die Schwarze Kobra hatte zwar Späher geschickt, doch dabei handelte es sich um einheimische Söldner, nicht um die Fanatiker, die er aus dem Weg räumen sollte.
Diese gefährlichen Irren, die keine Regeln und keine Grenzen kannten, die sie im Namen der Schwarzen Kobra nicht übertreten hätten. Er als Lockvogel hatte die Aufgabe, diese Leute zu dezimieren, damit die, die nach ihm kamen, es leichter hatten.
Das war seine wichtigste Aufgabe, und gerade die erfüllte er nicht.
Sangay steckte die Nase aus der Hintertür des noblen Hotels. Der eisige Wind wehte herein und ließ ihn unwillkürlich erschauern, doch die Gasse war leer. Er musste gehen.
Der Junge schlüpfte durch den Spalt, schloss die schwere Tür, holte tief Luft und hielt sie an, um sich gegen die Kälte
zu wappnen, dann schlich er über die Gasse, weg von der Straße am vorderen Ende, auf das zu, was die anderen Bediensteten als die Stallungen bezeichnet hatten – das für die Kutschen und Pferde bestimmte Areal hinter dem Gebäude.
Der Stall an sich lag noch ein Stück weiter zurück, versteckt hinter den massigen Mauern des Hotels. Als Sangay ihn erreicht hatte, lugte er um die Ecke und erblickte das übliche Durcheinander von Pferdeburschen und Stallknechten, die sich vor der offenen Stalltür versammelt hatten und die Hände am Feuer eines Kohlenbeckens wärmten.
Er wünschte, er könnte sich dazustellen und sich aufwärmen, doch er traute sich nicht. Er musste zurück zum Hafen. Jede Stunde betete er zu Ganesha, dass sein Schiff noch da sein möge, dass er es irgendwo in den riesigen Wasserstraßen im sogenannten »Pool of London« wiederfand.
Auch wenn
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