Mein Wahlkampf (German Edition)
Geil (CDU) zeitlebens starkmachten.
Zum Glück kommt es in der Politik nicht nur auf das gute Aussehen an – ganz im Gegenteil, wie Volker Zastrow im Gefolge der sogenannten «Guttenberg-Affäre» in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung klarstellte: «Politik ist die Chance für Leute, die nicht gut aussehen und weder singen noch tanzen können, sehr, sehr prominent zu werden, und wenn sie dann noch, wie Guttenberg, gut aussehen, singen und tanzen, dann sind sie kaum noch aufzuhalten. Bis sie an sich selber scheitern.»
Obwohl ich also Gefahr lief, an mir selber zu scheitern, ließ ich mir es nicht nehmen, immer so gut wie möglich auszusehen. Lange Zeit liebäugelte ich mit der Idee, einen Bart zu tragen, da er in der Anschaffung sehr preiswert ist und auf Plakaten und in Fernsehsendungen für eine höhere Wiedererkennbarkeit sorgt. Aber für welchen Bart sollte ich mich entscheiden? Es gibt ja so viele! Außerdem wurden und werden Bärte hauptsächlich von Despoten, Tyrannen und Diktatoren getragen: von Leuten wie Stalin, Lenin, Castro, Lukaschenko, Ahmadinedschad, Hussein, Ulbricht, Pinochet, Scharping und Kurt Beck. Oder von ehemaligen DDR-Politikern, man denke nur an die Gesichtspullover von Thierse, Platzeck und Meckel. Und dass ausgerechnet Hitler mit einem Chaplin-Bart durch die Gegend lief beziehungsweise umgekehrt, ist heute kaum noch nachvollziehbar. Deshalb entschied ich mich für eine markante Schwundstufe des Bartes, nämlich die langgezogenen Koteletten. Diese aber nicht als flauschige Backenteppiche, wie sie der Sprechdöner Cem Özdemir in seiner Rehabilitationsphase spazieren trug, sondern als vergleichsweise elegantes Bartzitat ohne Belegstelle.
Doch erst unterhalb der Koteletten geht es richtig los. Was soll ein Politiker anziehen? «Grundsätzlich meine ich, dass das Publikum mit Argumenten besser zurechtkommt, wenn man ordentlich angezogen ist», sagte einst Gerhard Schröder, dessen besonderes Verdienst, es bis zum «Brioni-Kanzler» ( Die Zeit ) gebracht zu haben, von keinem seiner anderen je übertroffen wurde.
Für meine Frankfurter OB-Kampagne, die ein ausgezeichneter Testlauf für meinen Bundeswahlkampf war, brauchte ich dringend einen guten Politikeranzug mit hohem Wiedererkennungswert. Von einem befreundeten Weltreisenden hatte ich erfahren, dass in Seoul die besten Anzüge der Welt geschneidert werden. Ich bestieg ein Flugzeug, das sich donnernd erhob, und düste in eines der letzten erfolgreich geteilten Länder der Welt, nach Korea.
In Seouls Ausgehviertel Itaewon begrüßte mich auf der Schwelle seines Schneiderateliers Mr. Lee Hamilton, ein beneidenswert aufgequollener Asiate in blassgelbem Jackett mit violetten Karos und goldener Krawattennadel. Er führte mich durch seinen Laden, dessen Wände mit Fotos seiner exquisiten Kundschaft tapeziert waren. Celine Dion hatte sich hier ein Kostüm schneidern lassen, Luciano Pavarotti gar ein ganzes Zelt, das er stolz als Jackett trug, der Jahrhundert-Leichtathlet Carl Lewis einen Dreiteiler, ebenso der IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch. Ich fragte Mr. Lee, ob er auch Spitzenpolitiker zu seinem Kundenkreis zähle. Aber selbstverständlich, lachte er und führte mich an eine weitere Fotowand, wo zwischen etlichen US-Senatoren auch der chinesische Staatspräsident Hu Jintao und sein ehemaliger paraguayischer Amtskollege Frutos aus nagelneuen Anzügen zufrieden herausgrinsten.
Wir schritten zur Stoffauswahl. Lee befragte mich in groben Zügen nach meinen politischen Zielen, überlegte eine kleine Weile und entschied dann, dass für mich ausschließlich Dreiteiler in der starken Emotionsfarbe Rot in Frage kämen, gefertigt aus robustem, widerstandsfähigem Fischgrät-Tweed. Der Stoff habe eine angenehme Griffigkeit, schließlich wolle ich ja ein Politiker zum Anfassen sein, und das Rot unterstreiche die Ernsthaftigkeit meiner politischen Absichten. Als Futter wählte er blaue Seide, denn Halbseide komme für einen seriösen Politiker wie mich nicht in Frage. «We make you a king!», rief er begeistert und übergab mich seinem Anprobenchef.
Drei Anproben später steckte ich in der dreiteiligen roten Maßkonfektion und ließ mich stolz mit Mr. Lee fotografieren. Dass er das Bild natürlich erst nach meinem Wahlerfolg in seiner Kundengalerie aufhängen könne, müsse ich verstehen, sagte er bei der Verabschiedung und überwies mich freudig an seinen Kassenchef. Der Anzug kostete nur neunhundert Euro, was viel günstiger war,
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