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Mein Wahlkampf (German Edition)

Mein Wahlkampf (German Edition)

Titel: Mein Wahlkampf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Maria Schmitt
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Nicht mal Ungeduld? Wenn man Manager oder Politiker nach ihren Schwächen befragt, wird mit neunzigprozentiger Sicherheit ‹Ungeduld› genannt, weil sich das so schön nach ungestümem Tatendrang anhört.»
    «Bitte unterbrechen Sie mich nicht immer, wenn ich gerade mitten in der Analyse bin. Gut, ich will mich völlig ehrlich darstellen, so, wie ich wirklich bin. Aber welche meiner vielen positiven Eigenschaften soll ich herausstellen? Vielleicht meine Bescheidenheit? Meinetwegen. Wahrscheinlich kommt das sogar ganz gut an, ich bin nun wirklich der bescheidenste Mensch, den man sich vorstellen kann. Ich kenne beim besten Willen niemanden, der bescheidener ist als ich. Meine Bescheidenheit ist gigantisch, geradezu monströs.»
    «Ich glaube nicht, dass uns das was bringt. ‹Man sieht oft, dass Bescheidenheit gar nichts nützt, ja dass sie nur schadet›, sagt Machiavelli, ‹besonders wenn man es mit unverschämten Menschen zu tun hat, die einen aus Neid oder aus einem anderen Grunde mit ihrem Hass verfolgen.›»
    Jetzt widersprach mir dieser Kerl auch noch! Warum gab ich mich überhaupt mit ihm ab? Der Landesvorsitzende hatte sich für ein paar Tage aus dem Wahlkampfgeschäft zurückgezogen, Begründung: «Geschäfte». Er habe jedoch, fürsorglich, wie er nun mal sei, bereits ein «Campaigning-Team» für mich «klargemacht». Es bestehe zunächst hauptsächlich aus dem «Inspizienten», das sei ein sehr guter Mann, den er vorläufig mal als «Wahlkampfmanager» gebucht habe. Irgendwann später werde auch noch eine «Praktikantin» dazustoßen, die habe er «praktisch schon hundert Pro eingetütet», hatte er am Telefon verlauten lassen.
    Nun war also dieser angebliche Inspizient für mich zuständig, obwohl der hagere junge Mann mir irgendwie unheimlich war. Er schien keine irdischen Laster zu haben, rauchte nicht, kiffte nicht, trank nicht – mit einem Wort: Er schien für die Politik völlig ungeeignet. Warum sollte ich ihn einfach so übernehmen? James Carville, ein Mann, der mal Chefstratege für Bill Clintons Wahlkampf war, riet Obama, als dessen zweite Präsidentschaftskampagne nicht rundlief, erst mal ein paar Leute aus seinem Team zu feuern, egal wen. Das werde Aufregung und Panik verbreiten, und das sei für ein Wahlkampf-Team immer gut. Aber wenn ich den Inspizienten gefeuert hätte – hätte das die Sache vorangebracht? Ich hätte dann niemanden mehr gehabt, der mir die Arbeit abnahm. Immerhin ging der Kerl gerade recht konzentriert irgendwelche Listen und Unterlagen durch. Er murmelte leise, notierte irgendwas und strich anderes wieder. Dabei schien er ausschließlich meinen Wahlerfolg im Blick zu haben. Er tat etwas, was ich niemals tun würde: Er setzte sich bedingungslos für jemand anderen ein.
    «Warum tun Sie das eigentlich?»
    Er schien die Frage erwartet zu haben. Mit einem Blick, so strahlend und klar wie ein frisch gedrucktes Wahlplakat, lächelte er mich an: «Ich will’s Ihnen sagen: Politik ist mein Lebenselixier. Ich habe Politik und Kommunikationsmanagement studiert, und jetzt kann ich mein Wissen zum ersten Mal praktisch anwenden. Es ist total aufregend, hier im Maschinenraum der Demokratie zu stehen und Ihr Spindoktor zu sein. Ich sehe mich in erster Linie auch gar nicht als Inspizient, sondern sozusagen als Ihr Politkommissar, verstehen Sie? Electioneering from the crack , das flasht mich. Hinter den Kulissen einen Spin ersinnen oder am Sinn spinnen, egal, einfach so am politischen Rädchen drehen. Ich habe die Wahlkämpfe von Clinton, Blair und Obama sehr genau studiert, natürlich auch die von Hitler, Churchill und Winfried Kretschmann. ‹Politik ist unblutiger Krieg›, sagt Mao Tse-tung, und genau das ist es, diese Härte in geordneten Bahnen, die mich umtreibt.»
    Er schien durch mich hindurchzusehen, als er das sagte. Als visierte er einen unendlich weit entfernten Punkt, ein imaginiertes Machtzentrum in einer abgelegenen Galaxie. Je länger er durch mich hindurchsah, desto stärker hatte ich den Eindruck, dass auch ich diese fremde Galaxie erkennen konnte – den milchigen Korpus, die unscharfen Ränder …
    «Sie haben da einen Popel auf Ihrem Brillenglas», sagte er. «Machen Sie den sofort weg! Sie müssen gut aussehen. Und Sie müssen noch besser klingen – wir brauchen einen Slogan, eine tagline , die Sie aus der Masse der Kandidaten heraushebt und Ihren Markenkern verdichtet.»
    «Daran habe ich natürlich längst gedacht. Ich habe auch schon ein paar ziemlich

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