Mein Wahlkampf (German Edition)
gute Slogans vorbereitet.»
«Einer reicht.»
Wir gingen die Liste meiner Vorschläge durch, doch der Politkommissar wollte keinen gelten lassen.
«Schmitt statt Sozialismus.»
«Zu antiquiert.»
«Mehr Schmitt wagen.»
«Zu ängstlich. Wir wollen ja gewinnen.»
«Mit ‹Mehr Demokratie wagen› hat aber schon Willy Brandt gewonnen.»
«Das war ja auch Willy Brandt. Der nächste.»
«Ja zu Schmitt – ein Ja zur Freiheit!»
«Klingt wie von der CSU.»
«Von der kommt er ja auch. Ist aber massenkompatibel.»
«Und zu altbacken. Der nächste.»
«Schmitt – näher am Menschen.»
«Klingt wie Caritas-Werbung.»
«Schmitt – weil nur die Leistung zählt.»
«Eben. Und da haben wir noch nichts vorzuweisen.»
Irgendwie konnte man diesem Mann nichts recht machen. «Schmitt – unentbehrlich ehrlich» strich er ebenfalls, weil ihm der Slogan schon zu unglaubwürdig geklungen hatte, als er noch von der FDP benutzt worden war. «Schmitt uns in die Zukunft» fand er grammatikalisch nicht vertretbar. «Fit mit Schmitt» erinnerte ihn zu sehr an Fitnesswerbung. Und obwohl es mitreißend klang, strichen wir «Den Wichser wählen» auch wieder von der Liste, weil es dann doch zu wenig positive Erinnerungen an Obamas «Den Wechsel wählen» hervorrief. «Wohlstand für Schmitt» hingegen fand der studierte Inspizient zu «egobezogen», obwohl es doch sanft an Ludwig Erhards erfolgreichen Claim «Wohlstand für alle» erinnerte.
«Nein», beschied die Nickelbrille, «es darf nicht zu kompliziert sein: ‹Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen auf die Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt.› Das schrieb schon Adolf Hitler in Mein Kampf . Wir brauchen die einfachste Lösung. Deswegen nehmen wir den hier: ‹Macht alle mit – wählt Oliver Schmitt!›»
«Aber der ist uralt!», schrie ich. «Den habe ich schon vor über zwanzig Jahren verwendet.»
«Egal, das weiß doch hier keiner, ist doch lange her. Außerdem schreiben wir das ‹mit› mit Doppel-t, wie Ihren Nachnamen, das wirkt frisch und unverbraucht: ‹Macht alle mitt – wählt Oliver Schmitt!›»
Die Entscheidung war gefallen, wir hatten einen Slogan. Und einen vorläufigen Titel bekam ich auch. Um die Wahlbotschaft zu emotionalisieren, entschied der Politoffizier, sollte neben meinem Namen auf allen Plakaten und Werbematerialien immer der anheimelnde Zusatz stehen: «Bürgermeister der Herzen». Da dieser Titel nicht amtlich sei, könne ihn mir auch keiner nehmen, und für die kommende Bundestagswahl sei ich als «Kanzler der Herzen» auch bestens positioniert; gegen einen «Kanzler der Herzen» sei doch eine «Kaltmamsell» wie die Merkel oder ein «Grottenolm» wie der Steinbrück völlig machtlos.
Nun ging es an die Plakatgestaltung. Für die Visualisierung der anstehenden Amtsübergabe an meine Person durch die langjährige Oberbürgermeisterin Petra Roth lag schon eine konkrete Bildidee vor. Kurz zuvor war der Spiegel für die SPD als Kanzlerkandidatenmacher und Wahlhelfer in die Bresche gesprungen. Während die Sozis noch stritten, ob Gabriel, Steinmeier oder Steinbrück als Kanzlerkandidat nominiert werden sollte, hievte das Hamburger Blatt Helmut Schmidt und dessen Wunschnachfolger Peer Steinbrück aufs Titelblatt. Der greise Altkanzler saß, auf einen Stock gestützt, neben seinem Zögling, darüber prangten groß die Worte «Er kann es». Diesen starken Claim liehen wir uns aus. Der kurzfristig gebuchte Titanic- Layouter Tom Hintner zauberte das historische Vorbild für diese Aufnahme aus dem Archiv: ein Werbefoto aus den frühen dreißiger Jahren, das den greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zeigt, wie er, auf einen Stock gestützt, neben seinem hoffnungsvollen Nachfolger sitzt – dem Reichskanzler Adolf Hitler. Schnell waren die Köpfe montiert: meiner auf Hitlers Körper, daneben das Konterfei der Frankfurter Noch-Oberbürgermeisterin Petra Roth auf Hindenburgs Kragen. Darüber stand in großen Lettern: «Er kann es». So reichten sich Tradition und Moderne partnerschaftlich die Hand. Darunter setzte Hintner den wahlspezifischen Slogan «Occupy Römer». Gerade hatte nämlich die Occupy-Bewegung ein Zeltcamp vor dem Hochhaus der Europäischen Zentralbank errichtet, der «Occupy Frankfurt»-Spruch war allgegenwärtig und wurde mit dem Wort «Römer», das sowohl für einen zentralen Frankfurter Platz als auch das Rathaus selbst stand,
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