Mein Wahlkampf (German Edition)
präzisiert. Eine runde Sache, die die Presse bestimmt bereitwillig verbreiten würde.
Ein zweites Plakat mit mir als alleinigem Motiv lag auch schon bereit. Ich in meinem roten Wahlkampfanzug, wie ich den Wähler freundlich bittend anschaue. So, als bräuchte ich dringend einen guten Job. Das Bild sprach für sich selbst, einen einleuchtenden Claim hatten wir damit schnell gefunden.
«Und was ist eigentlich mit viral?» Dem Politkommissar war offenbar noch was Neues eingefallen.
«Ich bin gesund, wieso?»
«Virales Marketing! Wir brauchen Botschaften fürs Netz, die sich von selbst verbreiten. Kommunikative Wahlkampftools fürs meta-campaigning .»
«Ich habe mir überlegt, dass man vielleicht so eine Art Lautsprecherwagen durch die Straßen fahren lassen könnte.»
«Sehr komisch. Wir sind hier aber nicht im Willy-Brandt-Wahlkampf, sondern im 21. Jahrhundert. Werden Sie bloggen? Oder twittern? Oder auf Facebook posten?»
«Twittern? Twittert denn überhaupt noch jemand? Ist das nicht schon längst wieder out?»
«Obama hat seine erste Wahl vor allem deshalb gewonnen, weil die Leute glaubten, er beherrsche das Twittern. Er hat auch nach der Wahl darauf bestanden, sein Blackberry weiter nutzen zu dürfen. Weil es so aussah, als ob er damit Tweets postete. Später hat er aber zugegeben, dass er selbst noch nie getwittert hat.»
«Na also, dann werden eben Sie für mich twittern.»
«Meinetwegen. Was haben wir noch für die Medien? Eine spektakuläre Aktion mit viel Presse wäre schön», sagte der Politkommissar. «Können Sie sich nicht irgendwo anketten?»
«Warum sollte ich das tun?»
«Um auf einen Missstand hinzuweisen! Wir brauchen unbedingt starke Bilder von Ihnen. Vielleicht ein Einsatz als Krisenmanager? Als Politiker kann man sich nirgendwo besser profilieren als bei Katastrophen.» Er schaute auf den Kalender. «Hm, ein Hochwasser kriegen wir in dieser Jahreszeit nicht mehr hin. Ein Reaktorunglück wird auch schwer – aber wie wär’s mit einem schrecklichen Unfall mit vielen Toten und Verletzten? Sie müssten dann dabeistehen, ruhig, aber mitfühlend, und den Angehörigen Mut zusprechen.»
Da uns jedoch beim besten Willen nicht einfiel, wie wir an eine ordentliche Katastrophe rankommen sollten, verwarfen wir den Plan. Es müssten freilich nicht immer nur Schreckensbilder sein, die im Netz Verbreitung fänden, gab der Politkommissar schließlich zu. Es könnten auch einfach nur originelle Bilder sein. « Planking! Kennen Sie das? Man legt sich an den unmöglichsten Orten langgestreckt auf den Boden und stellt ein Foto davon ins Netz.» Falls mir dieses planking aber zu anstrengend sei, könne ich es ja mit owling probieren, auch das eine brandneue Sache im Internet. Im Prinzip sei das wie Bowling, nur eben ohne «B» am Anfang; und statt Bowlingkugeln in Richtung aufgestellter Kegel zu schleudern, mache man das mit Eulen – sofern er dieses selbst für ihn noch neue Internetphänomen richtig verstanden habe.
Während ich noch überlegte, ob ich mich jetzt auf den Tisch legen sollte, kam mein Politkommissar schon mit dem nächsten Punkt. Er wechselte die Themen noch schneller als ich meine Meinungen. «Wie legen wir die Kampagne für unsere Gegner an? Machen wir eine Hetz-, eine Schmutz- oder lieber eine Rufmordkampagne?»
«Ist das denn nötig?»
«Unbedingt. Sie selbst haben leider nichts Eigenes vorzuweisen. Da ist es sinnvoll, den Favoriten zu desavouieren. Es ist wesentlich einfacher, einen guten Ruf zu ruinieren, als einen nicht vorhandenen aufzubauen. Man müsste dem CDU-Kandidaten irgendwas anhängen. Aber was?»
«Vielleicht den Klassiker: uneheliches Kind mit Büromitarbeiterin?»
«Zu wenig, das hat dem Seehofer auch nicht geschadet.»
«Dann muss man eben mehr Gas geben: drei uneheliche Kinder mit einem drogenabhängigen, weiblichen NATO-General?»
Mitleid, Neid und Verachtung – wenn ein Plakat derart starke Emotionen bündelt, taugt es für den OB -Wahlkampf so gut wie für die Bundestagswahl.
«Zu unrealistisch. Diese NATO-Weiber sind sowieso alle lesbisch. Aber Drogen sind gut. Drogen sind sogar sehr gut! Vielleicht irgendwas mit Rotlichtmilieu und Koks?»
«Dass er Koks bestellt und Nutten geschnupft hat?»
«Der Friedman kam damit problemlos durch.»
«Dass er vielleicht zusammen mit einem schwulen Bordellbesitzer eine Haschplantage betreibt, wo Nacktpflückerinnen aus der Ukraine arbeiten, die unter Tarif bezahlt werden?»
«Ja, genau diese Richtung. So kann
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