Mein Wahlkampf (German Edition)
sein. Das imponierte mir.
«Wäre eine hundertfünfzig Meter hohe, goldene Oliver-Maria-Schmitt-Statue nicht ein phantastisches neues Wahrzeichen für Frankfurt?», fragte ich die Kampfgenossen. Doch die winkten nur müde ab. Das sei politisch «noch nicht durchsetzbar», befand der Landesvorsitzende. Und außerdem «zu teuer».
Nach einigem Hin und Her kam die Rede auf Stuttgart 21. Uns alle beeindruckte noch immer das wahnwitzige schwäbische Großprojekt, einen kompletten Kopfbahnhof unter die Erde zu verlegen, um einen unterirdischen Durchgangsbahnhof zu schaffen.
«So was Ähnliches brauchen wir auch!», rief der Politkommissar, und ich gab ihm sofort recht.
«Wie wäre es mit einem oberirdischen Durchgangsbahnhof?», fragte ich. «Den sieht man viel besser, und man könnte ihn auch viel einfacher vermarkten.»
«Zu spät», sagte der Landeschef, «so was gibt es schon, und zwar in Berlin. Der ist sogar ober- und unterirdisch zugleich, weil sich die Planer nicht entscheiden konnten. Ich habe es selbst gesehen. Da können wir in Frankfurt als klassische Sackbahnhofstadt jetzt nicht einfach nachziehen.»
«Verdammt, verdammt. Eine harte Nuss», zischte der Politkommissar und lief vor Wut im Kreis.
«Können wir nicht einfach was anderes unter die Erde verlegen? Ist doch eigentlich voll egal, was. Oder nicht?»
Damit hatte die Praktikantin verblüffend recht: Eigentlich war es ziemlich piepe, was man unter die Erde verlegte – Hauptsache, es war teuer und aufwendig und diente ausschließlich dem Glanz des Initiators.
Und der hatte gerade den entscheidenden Geistesblitz: «Das Bankenviertel!», rief ich. «Das ist das Größte und Höchste, was Frankfurt zu bieten hat. Wenn wir die Hochhäuser unter die Erde verlegen, machen wir uns unsterblich! Dann wäre der Blick auf einen der schönsten Bahnhöfe Deutschlands wieder frei, und wir könnten ihn so sehen, wie Goethe ihn schon gesehen und Fritz Jot Raddatz das beschrieben hat. Zwischen Bahnhof und Innenstadt wäre dann alles grün und Frankfurt mit einem Schlag skylinefrei.»
«Sagenhafte Idee!» Der Politkommissar hatte das Potenzial meiner Eingebung sofort erkannt. «Das Bankenviertel wird invers rückgebaut, nach unten, und die Banken müssen das selbst bezahlen, die haben ja Geld ohne Ende. Außerdem sparen sie dann jede Menge Heizkosten, weil es im minus vierundvierzigsten Stock mollig warm ist. Erdwärmeheizung, Leute! Und sicher gegen 9/11-Angriffe sind diese Tiefhäuser sogar auch noch.»
«Genial!», schrie nun auch der Landesvorsitzende. «Unterirdische Hochhäuser! Das wäre ein absolutes Alleinstellungsmerkmal für unsere Stadt!»
Zufrieden notierte der Politkommissar dieses erste Ergebnis unseres Planungsausschusses. Bei nur einem Großprojekt, das war uns sofort klar, dürften wir es aber nicht bewenden lassen. Schnell kam die Sprache auf Hessens größtes Unternehmen: den Frankfurter Flughafen. «Den müssen wir unbedingt mit im Programm haben», entschied der Politoffizier. Und hatte damit nur zu recht. Flughäfen sind für Politiker überlebenswichtig. Entweder sie lassen welche bauen, um sie dann auf den eigenen Namen zu taufen, oder sie benennen welche um – beides ist gleich bedeutsam. Manchmal zögern sie die Fertigstellung eines Flughafens auch ewig hinaus, so wie in Berlin, um die Sache möglichst spannend zu halten. Eine Umbenennung des Frankfurter Flughafens in Oliver-Maria-Schmitt-Flughafen schien mir zwar angemessen, möglicherweise aber verfrüht. Außerdem klingt es bis heute noch ziemlich komisch, wenn man beispielsweise sagt, man lande «auf Franz Josef Strauß». Wer will dergleichen schon. Ganz abgesehen davon, dass der Frankfurter Airport erst unlängst umbenannt worden war: «Fraport» hieß nun der vormals als Frankfurter Flughafen bekannte Frankfurter Flughafen. Eine erneute Umbenennung kam also nicht in Frage. Aber was dann?
«Ich hab’s!», schrie der Landesvorsitzende und sprengte seinen wuchtigen Leib vom Stuhl. «Wir bauen einen Durchgangsflughafen, und zwar einen unterirdischen! Damit sehen die in Stuttgart auf einmal ganz, ganz alt aus. So was hat nämlich noch keiner!»
«Wie soll das denn gehen?», wollte der Spitzbart wissen.
«Ganz einfach: Die Flugzeuge starten und landen unterirdisch – so entsteht kein Fluglärm, die Luftverschmutzung wird minimiert, und man muss keine Rolltreppen fahren, wenn man mit der U-Bahn anreist.»
Die Idee sei zwar nicht schlecht, fand der Inspizient, auch leide
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