Mein Wahlkampf (German Edition)
überlegten, welche Zielgruppe uns wohl am wenigsten wählen würde, denn diese wollten wir zur Strafe massiv besteuern. Durch eine sachliche, emotionslose Gesellschaftsanalyse stießen wir auf die Gruppe der SUV-Fahrer – verbrieft dämliche Vollgasidioten, die mit ihren dicken Angeberautos, ihren Sport Utility Vehicles , ihren Jeeps und Oberförsterautos, durch die engen Gassen der Stadt zu pflügen pflegten und ihre aufgequollenen Körper in Angebercafés unter gasbetriebenen Heizpilzen drapierten, um so mit ihrem Anblick für schlechte Stimmung und mit ihrem Dasein für negative Ökobilanzen zu sorgen.
«Ja, die Oberförsterautos … an Männer mit Minderwertigkeitskomplexen verkaufe ich die ganz gut», lachte der Landeschef, während der Politkommissar auf seinem Notizblock herumkritzelte und um weitere Wahlprogrammvorschläge bat.
«Was ist mit Sport?», wollte der Landesvorsitzende wissen. «Sport kommt immer gut.»
Meine aufrichtige Antwort, dass mir Sport ganz allgemein am Arsch vorbeigehe, wurde von der Programmplanungskommission mit sorgenvollen Blicken quittiert.
«Das dürfen Sie auf keinen Fall jemals öffentlich kundtun», schärfte mir der Politkommissar ein. «Die Menschen lieben Sport, vor allem die dümmeren. Ohne Fußball können wir keine Wahl gewinnen.» Die Frankfurter Eintracht beispielsweise dürfe ich niemals ins Lächerliche ziehen, sagte er, denn über Behinderte mache man keine Witze. Der Ziegenbärtige verwies auf unsere Stadtteilhochburgen Bornheim und Gallus, in denen traditionell die Anhängerschaft des Zweitligisten FSV Frankfurt wohne. Diese Wähler seien beinah «perspektivlos», daher müsse man sie mit heillosen Versprechen bei der Stange halten. Sagte er, krakelte Unleserliches auf seinen Notizblock und forderte einen weiteren Programmpunkt.
«Die Eurokrise!», rief ich. «Die bewegt die Menschen.»
«Schon klar», winkte der Politkommissar matt ab, «aber für uns ’ne Nummer zu groß. Das kriegen wir nicht kommuniziert.»
«Ich meine doch gar nicht die Wirtschaftskrise, sondern die Eurozeichenkrise.»
Da keiner mir folgen konnte, hob ich zu einer Erklärung an: Mitten in Frankfurt, vor dem Turm der Europäischen Zentralbank, stehe doch das riesige Euro-Signet. Jedes Mal sei das in den Nachrichten zu sehen, wenn die Berichterstatter kein besseres Bildmaterial zur Illustration der endlosen europäischen Finanzkrise hätten. Nun solle dieses Eurozeichen abgerissen werden – das hätten zumindest regionale Wirrköpfe gefordert und sich damit den Beifall des Pöbels erschlichen. Ich jedoch, teilte ich meinen Parteigenossen mit, fände es viel besser, das Zeichen stehen zu lassen – und es vielleicht etwas zeitgemäßer zu gestalten, um es sozusagen krisenfest zu machen.
Der Politkommissar schaute mich mit leerem, aber zugleich konzentriertem Blick an und schrieb dann irgendetwas auf, das ihn offenbar zufriedenstellte.
«Und Tiere?», fragte die Praktikantin. «Ich finde, wir sollten unbedingt was mit niedlichen Tieren drinhaben, damit wir auch für Frauen wählbar sind.»
«Sehr gut!», brüllte der Landesvorsitzende. «Und für Kinder und Retardierte erst recht. Dann versprechen wir doch einfach, ganz Frankfurt mit niedlichen Katzenbildern zu tapezieren, wenn wir an der Macht sind.»
Der Politkommissar schaute säuerlich, ja fast tierfeindlich drein. «Quatsch, Genosse! Das ganze Internet ist voll mit niedlichen Katzenbildern, da besteht kein Bedarf mehr. Wir müssen den Menschen konkret und vor Ort helfen. Oder ihnen wenigstens Hilfe versprechen. Meistens reicht das ja schon.» Er beugte sich wieder über seinen Block, notierte noch etwas und lehnte sich schließlich erschöpft, aber zufrieden zurück. «Sehr gut, das reicht jetzt mal für den Anfang», sagte er, strich erst sich selbst den Ziegenbart glatt, dann seine Papiere, verbesserte hier noch ein Wort, strich da ein anderes, stellte Absätze um, fügte woanders welche ein, las noch einmal alles durch, nickte schließlich, stand auf und sagte: «So, PARTEI-Genossen, hier ist unser Programm. Acht Punkte sind es geworden, was für ein Parteiprogramm schon ganz ordentlich ist. Also, hört zu, ihr Sackgesichter, und merkt auf!»
Das Macht-alle-mitt-wählt-Oliver-Maria-Schmitt-zum-OB-PARTEI-Programm
Punkt 1: Frankfurt 21 kommt! Das Bankenviertel wird unter die Erde verlegt, freie Sicht bis zum Hauptbahnhof!
Punkt 2: Zwangsintegration statt Parallelgesellschaft! Die Besserverdiener-Ghettos werden
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