Mein Wahlkampf (German Edition)
vierfarbig, mit Eckenbrüller und Rabattcoupon zum Ausschneiden, die ganz sicher irgendjemand aus der Industrie ohne mein Wissen bezahlen und schalten würde.
Doch bevor der Verleger in meine zum Deal ausgestreckte Hand einschlagen konnte, zerschlug die Verlegergattin ihr Sektglas auf meinem Kopf und erklärte, dass ihr guter Ruf und ihre wertvolle Zeit für meine «schmutzigen Machenschaften» zu schade seien – was von zahlreichen noch anwesenden Gästen als der unbestrittene Höhepunkt des an Höhepunkten wirklich nicht überreichen Neujahrsempfangs gewertet wurde. Wie sehr sich doch die Ehefrauen dieser Welt gleichen.
Die Partei
Wie man auch gegen den Willen des Bundeswahlleiters eine politische Heimat findet
Schon in jungen Jahren wollte ich eine eigene Partei, denn ohne sie geht gar nichts. Die Partei hat tausend Augen. / Die Partei sieht sieben Staaten / Der Einzelne sieht eine Stadt , schrieb der Parteienbedichter Bertolt Brecht nicht ohne Grund. Nur mit einer echten, auf meine Person zugeschnittenen Partei würde es mir gelingen, meine Interessen durchzusetzen, nämlich Machtfülle, Planungssicherheit und finanzielle Souveränität.
Wenn drei Deutsche aufeinandertreffen, sagt ein Sprichwort, gründen sie einen Verein – zu siebt eine Partei. Doch obwohl es das Grundrecht jedes Deutschen ist, eine eigene Partei zu haben, sind im Verzeichnis des Bundeswahlleiters gerade mal rund einhundert zugelassene Parteien gelistet, darunter so wichtige Vereinigungen wie die Partei der Vernunft (pdv), die MÄNNERPARTEI, Die Friesen, Bergpartei – die «ÜberPartei», Aufbruch für Bürgerrechte, Freiheit und Gesundheit sowie die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD). Und darin soll sich ein Volk von achtzig Millionen wiederfinden? Noch immer gibt es hierzulande keine Mopedfahrerpartei, keine Kinderpartei, keine Raucherpartei, keine CO 2 -neutrale Biopartei, keine Lokomotivführerpartei, keine Piercing-, keine Vegetarier- und keine Lesbenpartei. Woran liegt das? Warum schaffen wir uns nicht die Interessenvertretung, die uns auch wirklich interessiert? Jeder Bürger sollte mindestens eine eigene Partei besitzen und in der Freizeit für ein paar Vereine tätig sein, die diese Partei unterstützen. So würde unser Land gewaltig vorankommen. Wohin auch immer.
Ich wollte jedenfalls nicht tatenlos zuschauen, wie meine Interessen immer unvertretener wurden. Eine eigene Partei musste her, so viel war klar. Ein Politiker ohne Partei ist wie eine Wahl ohne Urne, ein General ohne Sekretär, ein Reichs ohne Tag. Da es mir jedoch durch den Bundeswahlleiter persönlich untersagt war, eine eigene Partei zu gründen, brauchte ich dringend irgendeine schon in Entstehung begriffene Bewegung, die ich für meine Zwecke nutzen konnte. So wurde ich Mitglied der Partei «Die PARTEI», ich wurde das Geschöpf einer Organisation. Eine Notlösung, zweifellos, schließlich machen das alle Loser, die es nicht geschafft haben, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.
Aber immerhin, die PARTEI stand bereit, ich machte das Beste draus. Die Bezeichnung «PARTEI» ist eine Abkürzung und steht für «Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative». Eine Begriffsansammlung, die schwammig und offen genug ist, auch noch meine eigenen Werte darin unterzubringen. Also rief ich beim Gründungsparteitag der Partei «Die PARTEI» am 24. Oktober 2004 in Münster der aufgepeitschten Menge die seitdem geflügelten Worte zu: «Wir sind eine Partei – weil wir eine Partei sind! Und umgekehrt! Weil wir es selbst so wollten!»
Da der Posten des Parteichefs schon von Martin Sonneborn besetzt war, wurde ich zum Dank für meine mitreißende programmatische Rede mit dem Posten des Ehrenvorsitzenden abgespeist. Eigentlich ein klassischer Entsorgungsposten, undotiert obendrein, aber besser als gar nichts.
Gegenwärtig kommt es mir darauf an, diese Organisation als Vehikel für meine ureigensten Interessen einzusetzen – so wie das meine Vorbilder Joschka Fischer und Gerhard Schröder jeweils mit ihren Parteien vorgemacht haben und es mir selbst im Frankfurter Wahlkampf schon ansatzweise gelungen ist. Die Partei legt schnell an Mitgliedern zu, das ist gut. Auf dem Weg an die Macht bin ich dringend auf willfähriges Personal angewiesen. Irgendjemand muss ja die Wahlkampfarbeit für mich erledigen. Bei den Wahlen, an denen ich zuvor als parteiloser Kandidat teilgenommen habe, erzielte ich beide
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