Mein Wahlkampf (German Edition)
Male nur 0,2 Prozent der Wählerstimmen. Mehr ist ohne Apparat, ohne Basis und zuarbeitende Parteisoldaten kaum drin.
Und so hege und pflege ich den mir zuarbeitenden Parteiapparat – nach der Machtübernahme im Bund wird sich das für alle auszahlen, besonders für die unglaublich reizende Praktikantin Chantal. Spätestens seit der Ära Clinton-Lewinsky ist die Rolle der Praktikantin in einem Regierungssitz genau festgeschrieben. Immer häufiger stelle ich mir Sex mit ihr vor – und mir anschließend die Frage, welchen politischen Nutzen sie wohl aus einer solchen Situation für sich ziehen könnte. Ich bin noch zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen.
Ohne Parteibasis, Stimmvieh und gut gekleidetes Fußvolk ist eine Alleinherrschaft praktisch nicht machbar.
Für meinen Bundeswahlkampf und die sich daran anschließende Cliquen- und Vetternwirtschaft benötige ich aber noch viel mehr Leute. Schließlich verschlingt ein aufgeblähter Parteiapparat mit verkrusteten Strukturen Unmengen an Personal. Anders geht es nicht, solche Bläh-Systeme sind das Erfolgsrezept schlechthin. Im Idealfall scheindemokratisch legitimiert, halten sie sich oft erstaunlich lang: Gaddafi hat gut vierzig Jahre mit seiner Partei regiert, Mubarak in Ägypten fast dreißig Jahre – nur sollte man sich unbedingt durch rechtzeitige Flucht einer etwaigen Lynchjustiz entziehen.
Für mich geht es nun vor allem darum, innerhalb der Partei die Alleinherrschaft zu erringen und gleichzeitig die Mitglieder bei der Stange zu halten. «Die beste Partei ist nur eine Art Verschwörung gegen den Rest der Nation. Unwissenheit veranlasst die Menschen, einer Partei beizutreten, und Scham hindert sie am Austritt», befand schon der englische Politiker Sir George Savile, der erste Marquis von Halifax, bevor er 1695 starb. Uralte Erkenntnisse, die noch immer gültig sind.
Meine Regierungspartei soll definitiv jung, schick und modern sein und auch den Unfähigsten schnelle Aufstiegschancen bieten. Nur wer schnell aufsteigt, kann auch schnell wieder gestürzt oder wegen Illoyalität zum Rücktritt gezwungen werden. Durch einen hohen Personalverschleiß werde ich ständig für interessante Nachrichten und Spekulationen sorgen. Dabei sollte aber aus dem tatsächlichen Innenleben der Partei nicht allzu viel Handfestes nach außen dringen. Das echte bürokratische Tagesgeschäft wirkt ohnehin nur desillusionierend. Es macht eine Partei naturgemäß interessanter, wenn man nur über Gerüchte und Mutmaßungen von internen Querelen erfährt. Aus gutem Grund gab der leidenschaftliche Parteipolitiker Wladimir I. Lenin einer «Partei neuen Typus» nur in Form einer konspirativen Kaderpartei seinen Segen. Und getreu der Parole des ehemaligen SPD-Fraktionschefs Peter Struck – «Eine stumme Partei ist eine dumme Partei» – sollte sie hauptsächlich mit klatsch- und tratschhaften Presseerklärungen über vermeintliche Vorgänge im Inneren um sich werfen. So wie das auch die Grünen seit Jahren erfolgreich praktizieren.
Vor allem Koalitions- und Fusionsgerüchte sind hilfreich, um im Gespräch zu bleiben. Schon kurz nach Bekanntgabe meiner OB-Kandidatur meldeten sich Vertreter der Piraten bei mir. Sie fragten, ob Interesse an gemeinsamen Wahlkampfauftritten und Wahlpartys bestehe. Die wollten sie dann per Livestream im Internet übertragen, um so für mehr Transparenz zu sorgen. Das war ja die Hauptforderung der Piraten. Um für noch mehr Transparenz zu sorgen, jagte mein Politkommissar sofort eine Presseerklärung über die Gesprächsangebote des Gegners raus – die dann umgehend von den Piraten dementiert wurde. Im Nachhinein betrachtet war nichts geschehen, aber alle hatten darüber berichtet.
Noch schneller und einfacher schafft es eine Partei nur dann in die Presse, wenn sie sich selbstbewusst in eine historische Tradition stellt, so wie dies der Berliner Piraten-Abgeordnete Martin Delius tat, als er dem Spiegel steckte: «Der Aufstieg der Piratenpartei verläuft so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933.» Delius blieb nicht mal Zeit zu staunen, als der Shitstorm im Netz und in den Medien über ihn hereinbrach. Da hielt sich meine PARTEI mit der Triumphmeldung, bereits fünf Jahre nach Gründung mehr Mitglieder zu haben als die überkommene Altpartei NPD, lieber klug bedeckt. Man muss ja nicht mit allem protzen.
Der PARTEI-Apparat läuft wie geschmiert, und ich habe absolut keinen Grund, mit meiner parteipolitischen Vergangenheit zu hadern.
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