Mein Wahlkampf (German Edition)
tollen Aktion im Zoo gehört. Was mich wunderte, denn wir hatten die Ankündigung einer «Artenkritischen Begehung des Frankfurter Zoos» erst vor zwei Tagen als Pressemeldung rausgehauen. Ob ich denn schon entschieden hätte, welche Tiere gehen müssten?
«Du meinst die Zoobegehung? Die hat doch noch gar nicht stattgefunden. Die ist erst nächste Woche, du bist herzlich eingeladen.» Ich war sehr gerührt, dass diese Aktion, obwohl noch im Planungsstadium, schon im Vorfeld so emotional wahrgenommen wurde.
Endlich verkündeten die Mädchen vom Stadtschülerrat das neue Wahlergebnis: Der CDU-Kandidat hatte jetzt nur noch zehn Prozent, der Sozi neunzehn, die Grüne siebzehn, die Linke vierzehn, der Pirat sechs Prozent, der Rest Enthaltungen. Alle hatten verloren. Nur ich hatte plötzlich vierundzwanzig Prozent. Glatter Wahlsieg!
Jubelnd bestieg ich die Bühne, machte mit beiden Händen Wahlsiegerbewegungen, rief schließlich das außer Rand und Band applaudierende Publikum zur Raison und ließ mir ein Mikrophon geben, um eine kurze Schlussansprache zu halten: «Freunde, Frankfurter, Lan-Leute! Bevor ihr gleich alle abkackt und euch gehackt legt, will ich konkret noch ’ne Ansage machen. Also: Wenn bald die richtige Wahl ist, dann müsst ihr mich liken und für mich voten. Wallah! Ihr habt gemerkt, ich bin krasser Checker, ich mach coole Politik, und dann geh ich Rathaus. Wenn ihr mich aber nicht wählt, müsst ihr alle später mal hartzen oder containern gehen, ischwör. Also überlegt’s euch gut, ihr Opfer.»
Es gab leichtes Gemurmel im Publikum, aber das ist normal, dachte ich und fuhr fort: «Und wenn ihr jetzt alle brav seid, dann rappe ich euch schnell noch einen, ihr kleinen Rappelköpfe, hahaha, lol, rofl, lan.» Da staunten die Kleinen allerdings nicht schlecht, als ich spontan losrappte:
«Hey, Homies! Jetzt ist Infoalarm!
Find ich total cool, dass ihr mich liket in euerm Knast.
Jeder, der mich wählt, der ist ganz konkret kein Spast.
Kommt in meine Posse und chillt mit, checkt alle ein,
Votet mich zum Sieger, ich will euer Führer sein!»
Dazu machte ich coole Moves und fette Verrenkungen, um die kleinen Tölpel voll auf mich abfahren zu lassen. Das funktionierte auch – und wie! Fassungslos starrten mich die Kinder an.
«Wenn ihr mich zum Kanzler macht, dann geh ich total steil.
Politik ist super, echte Power macht mich geil!»
Ich verbeugte mich, überraschenderweise ohne Applaus.
«Ja, danke, das war meine Ansage, ihr seid echt die Allergeilsten, die Chicks vom Stadtschülerrat haben sich krass aufgebitcht und die Typen aufgepimpt, ich sage nur: Ey, ihr rockt, lan, Alder!»
Es war plötzlich sehr still in der Halle. Jetzt hatte ich sie da, wo ich sie wollte. Ich deutete auf meine Diskussionspartner. «Schaut euch die Gammelfleisch-Party an, lauter Wannabes, Noobs, Loser und Nullchecker. Wollt ihr etwa von diesen Gesichtsfünfen regiert werden?»
«Sie sind auch nicht besser!», rief ein vorlauter Jugendlicher im Publikum.
«Sie sind ja total unglaubwürdig!», rief dessen Nebensitzer. Offenbar eine Verschwörung.
Das ließ ich mir natürlich nicht bieten. «Pass bloß auf, du Opfer! Noch so ’n Comment, und es gibt Knüppelsuppe!»
Pfiffe wurden hörbar.
«Sie sind ja unglaublich peinlich!», schrie ein Rotzlöffel.
«Hey, ihr Honks, jetzt lasst mal chillen. Ist doch kein Grund zum Dissen hier, ihr Intelligenzallergiker. Von Politik versteht ihr auf eurer Scheißpenne sowieso nichts, lan, wallah. Kein Wunder, bei den Paukern, Alder!»
Jetzt warfen nicht nur die Kinder mit Pausenbroten, sondern auch die Lehrer mit PET-Flaschen.
Ich rannte um mein Leben, hinein in die dunklen Gänge der Europaschule. Die Schüler immer hinter mir her. Endlich fand ich eine offene Tür. Es war das Schülerklo.
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Die Tiere
Wie man mit Hund, Katze und Bonobo tierisch possierliche Politik macht
Der beliebte bayerische Diktator Franz Josef Strauß brachte es auf den Punkt: «Einmal ausgerottete Arten sind meist für immer verloren.» Als passionierter Jäger, der sogar höchstpersönlich während einer Wildhatz in die ewigen Jagdgründe einging, wusste er nur zu gut um die Bedeutung der Schicksalsgemeinschaft von Mensch und Tier. Und doch herrscht ein großes Mitbestimmungsdefizit. Kaum eine Wählergruppe wird im demokratischen Alltag so missachtet und ignoriert wie die der Tiere. Obwohl sie uns durchs Leben begleiten, sei es als Batteriehuhn, Kettenhund oder Stallochse,
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