Mein Wahlkampf (German Edition)
Helmut Kohl im Wolfgangsee-Setting beim Füttern einer Ziege zeigen, waren PR-mäßig kein Gewinn, da sie bis heute für Helmut-und-Hannelore-Witze herhalten müssen, von denen ich mich hier in aller Form distanziere.
Da loben wir uns doch die Profis: Der spanische König ließ sich noch im hohen Alter gemeinsam mit einem süßen Elefanten ablichten, den er fürsorglich und aus sicherer Entfernung mit einer Ladung Blei gefüttert hatte; Erich Honecker zeigte sich stolz mit einer kilometerlangen Strecke Wildbret, die er durch dienstfertige Büttel zum Wohle des «Sozialismuses» hatte abknallen lassen; und der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel griff sich 2007 im Berliner Zoo ein wehrloses Eisbärenbaby namens Knut, um sich damit publikumswirksam ablichten zu lassen.
Das war eine medial wesentlich geschicktere Tierbehandlung als etwa die Edmund Stoibers. Als im Sommer des Jahres 2006 ein Bär namens Bruno weite Teile Bayerns in Angst und Schrecken versetzte, weil er, wie eine von der CSU in Auftrag gegebene Studie belegte, ganze Dörfer niederbrannte, Wälder vernichtete und Autobahnteilstücke unpassierbar machte, da wurde er vom bayerischen Ministerpräsidenten kurzerhand zum «Problembären» erklärt. Anstatt sich mit ihm beim konstruktiven Gespräch fotografieren zu lassen, ließ Stoiber das Tier lieber totschießen. Ein Fehler? Wenig später waren beide weg vom Fenster: Bruno und Stoiber.
Schon während meiner OB-Kampagne in Frankfurt versuchte ich, den Sympathiefaktor Tier voll mitzunehmen. Dafür brauchte ich ein geeignetes Plakat.
Da ich selbst keine Tiere hielt, ihnen allenfalls in Teilen beim Metzger begegnete, organisierte Praktikantin Chantal gegen eine kleine Spende, die sie für mich auslegte, einen Fototermin im Tierheim. Es war bevölkert von den erbarmungswürdigsten Kreaturen. Wirklich mitarbeiten wollte keine so richtig. Die verwahrlosten Katzen, geschlagenen Hunde und ausgesetzten Meerschweinchen waren alle sehr mit sich selbst beschäftigt. Wir probierten trotzdem die gängigen Tierarten durch, sie mussten ja zu meiner Persönlichkeit passen beziehungsweise deren Sympathiewerte unterstreichen oder noch steigern. Es ist erstaunlich, wie viele Tiere man verschleißen muss, bis wenigstens ein verwertbares Foto dabei herauskommt.
Als Erstes war der beste Freund des Menschen dran. Hunde unterteilen sich in so viele zum Teil grotesk verschiedene Rassen, dass man sich nur wundern kann, warum sich diese Tiere überhaupt noch einem gemeinsamen Club zugehörig fühlen. Noch erstaunlicher ist der Anschein der charakterlichen Veränderung, den Hunde durch ihre bloße Anwesenheit bei einer vermeintlichen Bezugsperson hervorrufen können. Mit einem niedlichen kleinen Chihuahua auf dem Schoß wirkte ich sofort stockschwul, mit einem Bernhardiner an der Seite hingegen behindert. Ein majestätischer Schäferhund ließ mich unschön hitleresk erscheinen, ein Dobermann machte mich zum Snob und zwei davon zum Zuhälter. Mit Dackel auf dem Arm wirkte ich zu kleinbürgerlich, mit Bulldogge auf dem Arm überfordert. Als Halter eines Beagle machte ich einen überraschend glaubwürdigen Eindruck, allerdings nicht auf den Beagle, denn er hatte panische Angst vor mir und lief immer sofort weg. Mehr als seinen Schwanz hatten wir nie auf dem Bild.
Anschließend versuchten wir es mit Katzen. Auch das war ein Fehlschlag. Mit einer Katze auf dem Schoß wirkte ich entweder pervers oder diabolisch, mit zwei Katzen beides zugleich, mit Katze auf der Schulter wie verhext. Dann nahmen wir einen Leguan zur Hand. Der hielt wenigstens still, ließ mich aber aus rätselhaften Gründen irgendwie rechtsradikal, vielleicht aber auch überschuldet erscheinen und wurde deswegen umgehend wieder in sein Terrarium gesetzt. Mit zwei Schildkröten in Händen kam ich hingegen zu trübsinnig rüber, mit einem Kanarienvogel auf dem Kopf zu närrisch – bis wir endlich die Tiere fanden, die zu mir passten und einen glaubwürdigen, volksnahen Politiker aus mir machten: Kaninchen!
Drei Kaninchenkollegen der Rasse «Deutscher Riese», fast zentnerschwere Gesellen, wurden auf meinem Schoß drapiert. Sie blieben, wenn man sie mit Salat bei Laune hielt, immerhin fast zwei Sekunden im Bild, das reichte für das Foto. Sie wirkten niedlich, aber nicht lächerlich und ließen mich vertrauensvoll, seriös, gebildet und engagiert wirken – was wollte man mehr? Außerdem stand das Kaninchen in der fernöstlichen Mythologie für große
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